Donald Trumps eifrigste Wahlhelfer sitzen im Lager der Demokraten. Noch nie hat ein extrem linker Kandidat eine amerikanische Präsidentschaftswahl gewonnen – von Weltkriegspräsident Franklin D. Roosevelt über JFK, Bill Clinton bis Barack Obama zogen ausschließlich Männer der Mitte ins Weiße Haus ein. Lyndon B. Johnson, der nach dem Tod Kennedys überraschend Präsident wurde, bildet mit seinem „War on Poverty“ die linke Ausnahme von der moderaten Regel. Doch die Partei will nicht aus der Geschichte lernen. Sie will sich spüren. So rutscht sie immer weiter nach links. Trump kann sein Glück kaum fassen. Bernie Sanders und Elizabeth Warren sind die Helden einer erröteten Basis. „Sleepy Joe“, wie Trump den Ex-Vize von Obama nennt, schmiert in den Umfragen ab. Er hat seit Mai rund 25 Prozent seiner parteiinternen Anhänger verloren. Die Linksdrift ruft jetzt zwei Schwergewichte der Partei auf den Plan: Der eine ist Rahm Emanuel, Ex-Stabschef im Weißen Haus von Obama und danach Bürgermeister von Chicago. Er redet via „Politico“ seiner Partei ins Gewissen.
© imagoWir haben in 2018 das Repräsentantenhaus zurückerobert. Wir haben soeben die traditionell republikanischen Staaten Kentucky und Virginia gewonnen. Ich fasse es nicht, dass unsere Präsidentschaftskandidaten die Lehren aus diesen Erfolgen nicht bereit sind zu akzeptieren. Die siegreichen Kandidaten haben keine Luftschlösser in Aussicht gestellt, keinen Green New Deal angekündigt, sie haben auch nicht ständig über ein garantiertes Grundeinkommen geredet, kein Sammelsurium neuer Subventionen versprochen oder ein abruptes Ende der fossilen Brennstoffe verlangt. Sie haben in Ton, Habitus und Haltung über die Nöte der Mittelklasse gesprochen.
Mit derartigen Hinweisen kann man sich bei der Linken mächtig unbeliebt machen. Rahm Emanuel nervt. Solche Rückmeldungen aus der Realität gelten als Ruhestörung.
© imagoDer zweite Störenfried der Linken ist der New Yorker Wirtschaftsverleger (zehn Milliarden US-Dollar Umsatz, 20.000 Beschäftigte) Michael Bloomberg, der 2018 erneut der demokratischen Partei beitrat und jetzt Wahlunterlagen für eine Teilnahme an den Vorwahlen einreichte. Sein Schritt folgte einer exzessiven Woche, in der Warren ihr Modell einer „Vermögenssteuer“ vorstellte und Sanders sagte, Amerika sollte am besten gar keine Milliardäre mehr haben.
Eine Infografik mit dem Titel: Bloomberg vs. Trump
Ergebnis eines möglichen Präsidentschaftsduells zwischen Michael Bloomberg und Donald Trump, in Prozent
Milliardär Bloomberg – laut Forbes der achtreichste Mensch der Welt – gilt mit 43 zu 37 Prozent gegenüber Trump als chancenreicher Kandidat, wenn er denn die demokratischen Vorwahlen überleben würde. Er steht – wie Trump – für eine wirtschaftsfreundliche Politik und für Härte bei der Inneren Sicherheit. Anders als Trump aber ist Bloomberg ein moderater Charakter, in gesellschaftlichen Fragen ein Liberaler – und ein überzeugter Transatlantiker.
Die Parteibasis aber hasst ihn. Zu viel Geld. Zu viel New York. Und dann noch dieser verdammte Pragmatismus. Nur vier Prozent der Demokraten würden derzeit für Bloomberg votieren. Die Linke begrüßte ihn mit einem Feuerwerk der Verleumdung. Er solle sich sein Geld für die Vorwahlen sparen, so Bernie Sanders:
Eine Infografik mit dem Titel: Demokraten vs. Bloomberg
Aktuelle Parteifavoriten für die Primaries (Umfrage unter Demokraten-Wählern), in Prozent
Du wirst es nicht schaffen, das Weiße Haus zu kaufen.
Wie die Wolfsrudel im Revierkampf fallen die Demokraten übereinander her. Der Präsident braucht im Wahljahr 2020 weder Putin noch den ukrainischen Staatschef Selenski als Helfer. Er hat ja Sanders. Der arbeitet Tag und Nacht für das Trump-Camp. Effektiv, subversiv und – ungewöhnlich für einen Linken – ohne jede Bezahlung.
Mit unserem Washington-Korrespondenten Peter Ross Range spreche ich im Morning Briefing Podcast über die Chancen von Michael Bloomberg bei den Vorwahlen. Sein überraschendes Urteil:
Bloomberg könnte Joe Biden reanimieren und seine Kandidatur sogar retten.“
Annegret Kramp-Karrenbauer befindet sich weiter im Sinkflug. Sie performt in den Umfragen wie Bloomberg, nur spiegelverkehrt: Im eigenen Lager halbwegs anerkannt, im Volk unbeliebt. Laut einer Forsa-Umfrage vom Wochenende kann sich die CDU-Chefin bei der sogenannten „Kanzlerpräferenz“ gegen keinen Spitzenkandidaten von SPD und Grünen durchsetzen:
► Im Vergleich mit Olaf Scholz als möglichem SPD-Kanzlerkandidaten hat AKK mit 13 Prozent demnach keine Chance. Scholz kommt auf 34 Prozent.
► Gegenüber Robert Habeck als möglichem grünen Kanzlerkandidaten sieht es nur homöopathisch besser aus: AKK liegt bei 14 Prozent, Habeck bei 31 Prozent.
Fazit: Die informellen Vorwahlen in Deutschland haben längst begonnen. Warum sie nicht vom Nimbus des Heimlichen befreien? Das eben ist der Vorteil der Demokratie: Sie ersetzt den Dolch im Gewande durch den Zettel in der Urne. Und die Heckenschützen aller Lager werden entwaffnet.
Die CDU-Chefin hat aktuell also nicht viele Freunde. Nun hat sie einen neuen dazu bekommen: Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel. Im „Tagesspiegel“ lobt er Kramp-Karrenbauers Vorschlag zur Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrats. Gabriel geht dabei auch auf die Nato-Kritik des französischen Präsidenten Emmanuel Macron ein. Dieser hatte dem transatlantischen Bündnis jüngst den „Hirntod“ bescheinigt. Gabriel:
Es ist das Verdienst der Bundesverteidigungsministerin, dass sie darauf nach Antworten sucht und die öffentliche Diskussion nicht scheut.
Sie füllt damit die sicherheitspolitische Leerstelle, die von der Kanzlerin derzeit hinterlassen wird. Es wird Zeit, dass andere politische Parteien in diese Diskussion einsteigen. Der politische Streit wird uns guttun und am Ende auch Klarheit schaffen
Monatelang stritt die Große Koalition über das Thema Grundrente, der Konflikt wurde von den Medien (oft wider besseren Wissens) zum „Casus belli“ hochgeschrieben. Dabei stand die Einigung, die gestern Abend im Kameralicht von ARD und ZDF verkündet wurde, seit Längerem fest:
► Bis zu 1,5 Millionen Menschen können künftig eine Grundrente erhalten, die höher liegt als die vom Sozialamt gewährte Grundsicherung. ► Der Startschuss für den Geldregen fällt – rein zufällig – in das reguläre Wahljahr 2021. Die Gesamtkosten belaufen sich auf bis zu 1,5 Milliarden Euro.
► Statt einer Bedürftigkeitsprüfung soll es einen Einkommensabgleich geben. Grundlage dafür ist ein Datenaustausch zwischen der Rentenversicherung und den Finanzbehörden. Der Gang zum Amt entfällt. „Die Kuh ist vom Eis“, sagte CSU-Chef Markus Söder. Doch das darf aus drei Gründen bezweifelt werden. ► Der Aufschlag auf die Rente ist zu gering, um die Zielgruppe wirklich fröhlich zu stimmen. Man hatte den Ärmsten der Armen einen Saftbraten versprochen und liefert jetzt nur einen Gruß aus der Küche.
► Der Bruch mit dem sogenannten Äquivalenzprinzip allerdings – demzufolge die Rente Lohn für Leistung sein soll – ist vollzogen. Der Kompromiss wirft ein grelles Licht auf die Sozialstaatsruine namens Rentenversicherung.
► Die Überforderung der sozialen Sicherungssysteme zählt zu den schwersten Hinterlassenschaften der Großen Koalition. Mit dem Rentenkompromiss wird erneut eine Rechnung ausgestellt, die von Kindern bezahlt wird, die nicht mehr geboren werden. Das Gegenteil von Nachhaltigkeit heißt GroKo.
Immer wieder wird behauptet, wir lebten im Zeitalter der Polarisierung. Doch wir leben vor allem im Zeitalter der Theatralisierung von Politik. Am Bühnenrand sehen wir Robert Habeck als Romeo sowie Greta Thunberg als dem Wahnsinn anverwandte Kassandra, derweil sich die SPD zusammen mit Odysseus auf Irrfahrt begeben hat. Überall droht die Apokalypse, verfeinert mit einem Hauch von Kitsch. In den Talkshows tritt uns ein religiöser Aktivismus entgegen, der Marxismus und Konservatismus zu einem neuen Purismus vereint: mehr Strenge, weniger Humor, mehr Tofu, weniger Bratwurst, und das neue Mallorca heißt Rügen. Früher sah der Feind aus wie Franz Josef Strauß, heute reicht ein Bekenntnis zum argentinischen Rindersteak, 400 Gramm, leicht blutig, um eine Abendgesellschaft in Berlin, Hamburg oder Frankfurt in helle Aufregung zu versetzen. Mit dem Kolumnisten und Buchautor Jan Fleischhauer, 30 Jahre beim „Spiegel“, jetzt Mitglied der „Focus“-Chefredaktion, spreche ich im Morning Briefing Podcast über jene Zeit, die wir „unsere Zeit“ nennen. Er beantwortet uns einige der ganz großen Fragen: Woher die periodisch wiederkehrende Lust auf Apokalypse? Wer ist der größte Kitsch-Produzent im Lande? Und warum er AKK bewundert, verrät er uns auch. Hier drei seiner Aussagen:
Der Humor ist ein Mittel der Aufklärung, weil er schafft Distanz und sorgt damit für Erkenntnisgewinn
Der Journalist ist die Kraft die verneint, deswegen sind wir als Berufsgruppe ja auch so unbeliebt.
Politischer Kitsch ist auf dem Vormarsch: Der röhrenden Hirsch der Linken ist der singende Wal.
Der geplante Börsengang des saudischen Öl-Konzerns Saudi Aramco ist der größte in der Geschichte: Das saudische Königshaus spekuliert auf eine Gesamtbewertung von rund zwei Billionen US-Dollar. Damit wäre der neue Konzern doppelt so viel wert wie Microsoft. Ob sich das Investment lohnt, ist unsicher. Denn der 600 Seiten dicke Prospekt zum geplanten IPO ist gefüllt mit Risikobeschreibungen: Ölpreisschwankungen, denkbare Terroranschläge auf die Anlagen des Konzerns oder das Recht der Regierung in Riad, die Ölförderung jederzeit zu kappen. Auch die bezifferten Öl- und Gasreserven des Königreichs „bieten Interpretationsspielraum“. Es sei nicht gesichert, dass sie den wirklichen Verhältnissen entsprächen. Mutige Anleger vor!
Der Machtkampf um die Führung bei Siemens wird nun auf den sozialen Netzwerken ausgetragen. Nach der Bilanzpressekonferenz am Freitag twitterte Noch-CEO Joe Kaeser:
Amüsante Meinungsbildung in unserem Land: Wenn ein deutscher Vorstands-Chef proaktiv sein Unternehmen auf die Zukunft ausrichtet, gilt er als ,pathetisch‘ oder ,philosophisch‘. Wenn ein kiffender Kollege in USA von Peterchens Mondfahrt spricht, ist er ein bestaunter Visionär.
Der Tweet zielt in zwei Richtungen: Mit „dem kiffenden Kollegen“ ist Tesla- und SpaceX-Chef Elon Musk gemeint, der im vergangenen Jahr live im Internet zum Joint griff. Gleichzeitig nimmt Kaeser seinen Stellvertreter und möglichen Nachfolger Roland Busch ins Visier. Dieser hatte sich jüngst mit Musk getroffen und ihn als „wahren Visionär unserer Zeit“ angehimmelt. Wir lernen: Joe Kaeser ist nicht bekifft, nur sauer. Andere werden verehrt, er verabschiedet.
Claas Relotius, der Märchenerzähler vom „Spiegel“, will zurück auf die große Bühne. Und daran arbeitet er offenbar ganz gezielt. Nach seinem Frontalangriff via Medienanwalt gegen seinen Ex-Kollegen Juan Moreno, der ihn damals auf einer gemeinsamen Recherche enttarnte, veränderte der ehemalige Starreporter jetzt offenbar den Wikipedia-Eintrag über seine eigene Person – und zwar zum eigenen Vorteil. Benedikt Janssen ist Vorstandsmitglied der Autoren von Wikipedia und erklärt, was genau und von wem im Online-Lexikon geändert wurde:
Claas Relotius hat mutmaßlich verschiedene Accounts angelegt, um den Eindruck zu erwecken, dass mehrere Autoren hier dazu beitragen, den Artikel in eine Richtung lenken wollen. Das ist ein schwerer Verstoß gegen die Wikipedia-Richtlinien.
Eine Quelle wurde sogar manipuliert. Da geht es um einen Artikel der ,Welt', wo offenbar per Photoshop einfach der gesamte Artikel manipuliert wurde. Das ist schon fast kriminell.
Viele der Fälscher-Accounts wurden übrigens per IP-Adresse dem kleinen Ort Seevetal zugeordnet. Das ist in der Nähe von Tötensen. Sie wissen, wer da außer Dieter Bohlen noch wohnt? Genau: Claas Relotius. Die Story des Fälschers schreit nach Verfilmung. Und da Til Schweiger und Moritz Bleibtreu ja nicht alle Rollen spielen können, sollte Hape Kerkeling ran. Und Relotius? Der Junge muss dringend mal an die frische Luft. Ich wünsche Ihnen einen fröhlichen Start in die neue Woche. Herzlichst grüßt Sie Ihr