USA: Der Biden-Ton

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Guten Morgen,

was gestern in Washington beeindruckte, war nicht der Mann, seine Lebensgeschichte oder das politische Programm. Was diesen Joseph R. Biden bei seiner Amtseinführung auszeichnete, war der Ton. Der Joe-Biden-Ton.

Es ist ein warmer, fast samtiger Ton, der das Schroffe genauso meidet wie das Undeutliche. Dieser Biden-Ton ist selbst da, wo er energisch wirken möchte, keiner, der nach Aufmerksamkeit schreit. Wahrnehmung erzielt er dadurch, dass er nicht auf ihr besteht.

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Das Leben hat ihn gehärtet, aber nicht hart gemacht. Der 78-Jährige forderte die Bürger auf, „mein Herz zu vermessen“ und es klang aus seinem Mund sympathisch, aber nicht pathetisch. Von diesem Joe Biden, den ich als Washington-Korrespondent des „Spiegel“ (2007 bis 2010) aus der Nähe beobachten konnte, geht das aus, was mein damaliger Kollege Jürgen Leinemann „den Wärmestrom des Politikers“ nannte. Biden fühlt, bevor er führt. Er empfängt, auch während er sendet. Sein Wahl-Triumph – immerhin erhielt er 11,7 Millionen mehr Wählerstimmen als seinerzeit Barack Obama – war nicht das Resultat trickreicher Social-Media-Strategen und einer überhitzten Kriegsrhetorik, wie sie im politischen Geschäft üblich geworden ist.

Eine Infografik mit dem Titel: Bidens Rekordergebnis

Die zehn Sieger bei US-Präsidentschaftswahlen mit dem höchsten „popular vote”, in Millionen

Joe Biden war und blieb Zivilist, auch da wo seine Ehre, seine Familie und seine Gesinnung von Donald Trump in Zweifel gezogen wurden. Er ist einer der wenigen, der Wut nicht mit Wut und Häme nicht mit Hass beantwortet. Der Andersdenkende ist sein politischer Gegner, aber nicht sein persönlicher Feind.

Gestern auf den Stufen von Capitol Hill war dieser Mann der Mitte zu besichtigen. Biden bekämpfte Trump nicht mehr; er dementierte ihn. Er schimpfte den Vorgänger nicht, er beschämte ihn. Er hielt jene altmodischen Worte gegen das Licht, die im Weißen Haus des Donald Trump das Leben von Kellerasseln geführt hatten: Respect. Dignity. Reason. Respekt. Würde. Vernunft. Und siehe da, die Worte begannen zu leuchten. Biden weiß, wie man Zweifel in Vertrauen verwandelt.

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Der Vorgänger schüchterte auch seine ausländischen Partner am liebsten ein. Er strafte. Er wütete. Sein Werkzeugkasten sah aus wie eine Munitionskiste. Und wenn er den Andersdenkenden mit Sanktionen nicht in die Knie zwingen konnte, wie die Iraner, dann schickte er ihnen eine Drohne vorbei. Der GPS-gesteuerte Kopfschuss als Fortsetzung der Politik mit digitalen Mitteln.

Noch können wir nicht wissen, ob der Biden-Ton das Gehör seiner Landsleute findet. Ob der Ruf nach Einigkeit und Innehalten es nur auf die heutigen Zeitungsseiten schafft oder bis in den Alltag des anderen Amerika vordringt. Im „uncivil war“, dem unzivilisierten Krieg des einen Amerikas gegen das andere, wurde gestern allenfalls ein Waffenstillstand erreicht. Politik, sagte Biden, muss kein Feuer sein, das alles auf seinem Weg zerstört.

Eine Infografik mit dem Titel: Klare Mehrheit für Biden

Anzahl der bei der US-Präsidentschaftswahl gewonnenen Wahlleute, 270 notwendig zum Sieg

Aber die Versöhnung, das ist der unbequeme Teil der Wahrheit, braucht mehr als Rhetorik. Das andere Amerika besteht aus 74 Millionen Trump-Wählern, die mit den städtischen Beschleunigungsgesellschaften auf Kriegsfuß stehen. Digitalisierung verstehen sie als Demütigung und Globalisierung als gewalttätigen Angriff auf eine Normalität, die ihre Heimat war. Ihr Sehnsuchtsort ist im AppStore jedenfalls nicht vertreten. Ihr Held trägt auf dem Körper Fell und auf dem Kopf zwei Hörner. Auf seinem Grill liegt ein Nackensteak und kein Fleischersatzprodukt aus dem Hause Beyond Meat.

Sturm aufs Kapitol © dpa

Joe Biden macht sich keine Illusion über die Größe der Aufgabe. Der Biden-Ton, das unterscheidet ihn vom Obama-Oratorium, lässt Raum für Realismus. Sein Bezugspunkt ist nicht das Wolkenkuckucksheim, sondern die Abrisskante zur Wirklichkeit: „Die Kräfte, die uns spalten“, sagte er gestern, „sind tief und echt.“

Fazit: Da gute Politik mit der Anerkennung von Wirklichkeit beginnt, hat gestern eine gute Zeit für Amerika begonnen. Zumindest ist das Hoffen darauf wieder erlaubt.

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Bereits am ersten Tag im Amt erließ Joe Biden als neuer Präsident eine lange Liste von Verfügungen und kehrte damit auch zahlreiche Entscheidungen seines Vorgängers um:

  • So führte der Demokrat die USA in das Klimaabkommen von Paris und die Weltgesundheitsorganisationen WHO zurück.

  • Biden rief die Amerikaner auf, 100 Tage lang Masken in der Öffentlichkeit zu tragen, um die Corona-Ausbreitung einzudämmen.

  • Er erließ die Aufhebung des von Trump verhängten Einreisestopps für Muslime aus mehreren Ländern.

  • Biden verhängte auch einen Baustopp des umstrittenen Zauns an der Grenze zu Mexiko.

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  • Er stoppte den Bau der umstrittenen Pipeline Keystone XL, ein neun Milliarden Dollar schweres Projekt, das die Öl-Gebiete im kanadischen Alberta mit Steele City im US-Bundesstaat Nebraska verbinden soll.

  • Er löste die „1776-Kommission“ auf, die im Auftrag Trumps eine „patriotische“ Auslegung der US-Geschichte ausarbeiten sollte. Das Biden-Team betonte, die Kommission habe rassistische Unterdrückung in den USA aus der Geschichtsschreibung tilgen wollen.

Wer geimpft ist, muss einfacher reisen dürfen

Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis fordert ein Impfzertifikat auf EU-Ebene.

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Veröffentlicht von Kyriakos Mitsotakis.

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Das Coronavirus schränkt unseren Bewegungsradius enorm ein. Im Lockdown arbeiten viele zu Hause, reisen selten und wenn, dann nur unter strikten Bedingungen. Für die Tourismusbranche ist das eine Katastrophe. Ein europäisches Land, das darunter besonders leidet, ist Griechenland. Dort trug die Branche im Jahr 2019 noch 20,8 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei.

Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis will sich mit der widrigen Wirklichkeit nicht abfinden. Er fordert, dass gegen Covid-19 geimpfte EU-Bürger ein Impfzertifikat erhalten, um damit in der Europäischen Union reisen zu können. In einem exklusiv auf ThePioneer.de veröffentlichten Text schreibt er:

Durch die EU-weite Einführung eines vereinbarten und standardisierten digitalen Impfzertifikats können wir den Lockdown schnell aufheben, Tourismus und Freizeitbeschäftigungen wiederbeleben und unseren Bürgern ermöglichen, sich frei und ohne Einschränkungen über Ländergrenzen hinweg zu bewegen.

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Mitsotakis will eine „Schnellreisespur“ für diejenigen schaffen, die ein solches digital standardisiertes Zertifikat besitzen.

Worum es ausschließlich geht, ist die Reisefreiheit durch eine einfache, sichere und digitale Lösung zu ermöglichen, die unsere Wirtschaft wieder in Schwung bringen kann. Für genau solch ein Gemeinschaftsprojekt wurde die EU gegründet.

Heute Abend wird die Bundeskanzlerin erneut mit den EU-Staats- und Regierungschefs in einer Videokonferenz über die Entwicklungen in der Coronakrise beraten. Gemeinsam will man sich einen Überblick über die teils prekäre Lage in den Mitgliedstaaten verschaffen. Der griechische Ministerpräsident will diese Lage nicht nur beschreiben, sondern überwinden. Er zielt mit seinem Vorschlag, der heute Abend im Kreise der Staats-und Regierungschefs präsentiert wird, auf die schnelle Rückkehr zur Normalitätbevor eine zu strikt geratene Corona-Politik sein Land in die Knie zwingt.

Den ganzen Text können Sie auf ThePioneer.de lesen.

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Miriam Wohlfarth ist eine Pionierin des bargeldlosen Bezahlens. Sie hat die Firmen Ratepay und Banxware gegründet, die beide als digitale Finanzdienstleister aktiv sind.

Miriam Wohlfahrth ist eine derjenigen in Deutschland, die das bargeldlose Bezahlen mit Bestimmtheit fordern. Damit hat sie es nicht leicht, denn schließlich hängen viele Menschen gerade hierzulande an den Scheinen und Münzen. Im Morning Briefing Podcast nennt sie vier Gründe, warum sie gut auf Bargeld verzichten könnte.

„Wann kommt der digitale Euro?“

Die Payment-Expertin und Gründerin von RatePay Miriam Wohlfarth plädiert für das Ende des Bargeldes

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Veröffentlicht in The Pioneer Briefing Business Class Edition von Gabor Steingart.

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Hinsichtlich der Zeit, in der wir noch mit Bargeld bezahlen werden, prognostiziert sie:

Wir haben noch mindestens zehn Jahre Bargeld, aber es wird immer weiter zurückgehen. Wahrscheinlich ist es so, dass Staaten dann beginnen, elektronische Währungen auszugeben, wie den digitalen Euro.

Aber: Sie dürfen in diesem Podcast-Gespräch keine Hymne auf die Abschaffung des Bargeldes erwarten. Wir reden über den durchsichtigen Bürger, der mit dem Bezahlvorgang ein Porträt seiner Persönlichkeit hinterlässt. Wir sprechen über autoritäre Staaten und neugierige Unternehmen, die mit dem Psychogramm eines Bewerbers dessen Leben beeinflussen und womöglich auch zerstören können.

Prädikat wertvoll, weil verwirrend. Die Wirklichkeit besteht aus verschiedenen Teilwirklichkeiten, die anders als im Puzzle nicht zusammenpassen wollen.

Die Pfizer-Posse

Der Frust über den Impfproduzenten Pfizer wächst, Gesundheitsminister Spahn hat eine Alternative..

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Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Michael Bröcker Gordon Repinski .

Briefing

Ärger in der Bundesregierung. Der Pharma-Multi Pfizer hat der EU mitgeteilt, dass man – leider, leider – die zugesagten Impflieferungen vorübergehend stoppen musste, weil das belgische Produktionswerk ausgebaut werden soll. In NRW wurden Impftermine für Über-80-Jährige verschoben, in einigen Bundesländern sind die Impfzentren leer – derweil in den USA und Israel weiter geimpft wird. In der Bundesregierung wird gemutmaßt, dass die Pfizer-Aktion die USA und Israel nicht trifft. Dort sind alle Lieferungen in time. Nur die EU-Partner schauen ins leere Reagenzglas.

Doch eine rechtliche Handhabe hat die Bundesregierung nicht, die Verträge wurden mit der EU geschlossen. Ein konkreter Liefertermin nicht genannt. Meine Kollegen vom Hauptstadt-Team haben den Streit hinter den Kulissen recherchiert und sagen, auf welche Alternative die Bundesregierung hofft.

Außerdem: Die Familienunternehmer setzen auf einen handelspolitischen Neustart unter der Administration des neuen US-Präsidenten Joe Biden.

Im Gastbeitrag für unser Debattenportal ThePioneer.de, wirbt der Vorstand der Stiftung Familienunternehmen, Rainer Kirchdörfer, für neue Handelsverträge.

Es besteht Hoffnung, dass die Regierung Biden der Eskalation durch Strafzölle Einhalt gebietet, schon deshalb, weil das Verhängen immer neuer Zölle europäischen und amerikanischen Unternehmen und Verbrauchern schadet. Familienunternehmen sind von den Strafzöllen besonders betroffen.

Bei Zollkriegen gebe es keine Gewinner, so Kirchdörfer.

Als die EU im November 2020 Sonderzölle auf US-Produkte wegen des Boeing-Streits einführte, traf dies auch europäische Unternehmen, weil deren Vorprodukte aus den USA über Nacht um 25 Prozent teurer wurden. Handelspolitische Abrüstung tut Not.

Seinen Beitrag lesen Sie hier.

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In der Corona-Krise boomen Audio-Dienste auf den Smartphones. Nicht nur Podcasts werden immer populärer, sondern auch soziale Netzwerke, die auf das gesprochene Wort setzen. Das beweist der aktuelle Hype um die US-amerikanische App „Clubhouse”. Tausende Nutzer verbringen dort gemeinsam ihre Zeit, um sich Live-Diskussionen anzuhören. Im Morning Briefing Podcast erklärt der Medienjournalist Marvin Schade die Funktionsweise:

Man kann sich das als eine große Konferenz vorstellen – mit unterschiedlichen Gesprächen in unterschiedlichen Räumen.

Die App funktioniere nach einem einfachen Schneeballsystem:

Zugang bekommt man über das Einladungsprinzip. Heißt: Nur Nutzer, die schon in der App sind, können neue Nutzer hinzuholen.

Marvin Schade warnt aber auch vor den Gefahren der App:

Dieses Schneeballsystem basiert auf der Weiterleitung von Telefonnummern. Mit europäischem Recht ist die App eigentlich nicht konform. Es gibt weder einen europäischen Datenschutzbeauftragten noch werden die, deren Telefonnummern weitergereicht werden, darüber informiert.

#124 - Heiko Burrack: Warum ich Sie bitte, neu und anders über Organspende nachzudenken

Über die Verbundenheit zwischen Organspender und -empfänger

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Veröffentlicht in Der 8. Tag von Alev Doğan.

Podcast mit der Laufzeit von

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Netflix hat seine Zahlen für das vierte Quartal 2020 bekannt gegeben: In den zurückliegenden drei Monaten konnte der Streaming-Dienst 8,5 Millionen neue Kunden gewinnen und übertraf damit erstmals die Marke von 200 Millionen Bestands-Abonnenten. Die Zahlen überraschten, da das Unternehmen nach einem enttäuschenden dritten Quartal nur 2,2 Millionen zusätzliche Abonnenten für das letzte Quartal des Jahres 2020 in Aussicht gestellt hatte. Der Umsatz stieg um mehr als 20 Prozent.

Eine Infografik mit dem Titel: Netflix Abozahlen treiben den Kurs an

Kursentwicklung der Netflix-Aktie seit dem 19. Januar, in US-Dollar

Die Börse reagierte nach Bekanntwerden der Zahlen äußerst positiv, da sie belegen, dass sich Netflix gegen die zunehmend stärker werdende Konkurrenz anderer Streaming-Dienste, wie Disney Plus, Amazon Prime und Apple TV, durchsetzen kann. Der Aktienkurs sprang nachbörslich von 501,7 US-Dollar auf 564,29 Dollar, kletterte im Verlauf des Tages auf 593,23 Dollar und erreichte damit einen neuen Höchststand. Für das laufende Quartal rechnet Netflix mit einer Zunahme um sechs Millionen Abonnenten.

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Die Nachteile des Brexit-Deals werden für die Briten spürbar. So wurden bei dem Deal die Kulturschaffenden schlicht vergessen. Denn sie müssen jetzt – wenn sie in der EU auf Tour gehen – für jedes Land, in dem sie auftreten wollen, ein Visum beantragen. Es gibt keine Sammelvisa, weshalb vom Musiker über den Techniker bis zum Manager jeder für jedes Land eine gesonderte Einreisegenehmigung beantragen muss. Der Brexit wird für die Musiker so zum bürokratischen Horrortrip.

Die Großen der Branche haben sich jetzt zusammen getan und einen offenen Brief in „The Times” veröffentlicht. Sting, Elton John, Liam Gallagher und Ed Sheeran fordern: Macht die Tür nicht zu! Musik kennt keine Grenzen.

Und weiter: „Dieses Verhandlungsversagen wird viele Künstler in den Abgrund stürzen.” Die Regierung des Boris Johnson in all ihrer dröhnenden Tapsigkeit wirkt überrascht und damit überfordert. Der britische Premier erinnert im Regierungsalltag weniger an den großen King George als an Mister Bean.

Boris Johnson © dpa

Ich wünsche Ihnen einen zuversichtlichen Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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