USA: Sturm auf die Demokratie

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Guten Morgen,

die Bilder aus der US-Hauptstadt Washington, die uns heute Nacht erreichten, wirken wie aus einem Polit-Thriller made in Hollywood. Nach einer aufpeitschenden Rede von Präsident Donald Trump marschierten dessen Unterstützer vor dem Kapitol auf, um gegen den Machtwechsel zu protestieren.

Schließlich drangen die Trumpisten ins Innere des Parlamentsgebäudes ein. Sicherheitskräfte brachten Vizepräsident Mike Pence in Sicherheit. Es fielen Schüsse, eine Frau kam ums Leben, mehrere Menschen wurden verletzt.

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Die Nationalgarde kam zum Einsatz, die Bürgermeisterin von Washington, Muriel Bowser, ordnete eine Ausgangssperre an. Ein Demonstrant posierte im geräumten Senatssaal auf dem Platz des Kammervorsitzenden. Die Demokratie wurde verhöhnt.

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Der künftige US-Präsident Joe Biden trat vor die Kameras. Mit grimmiger Stimme bezeichnete er die Ereignisse als Aufruhr:

Zu dieser Stunde wird unsere Demokratie beispiellos angegriffen.

Schließlich meldet sich per Videobotschaft auch Trump zu Wort. An die Adresse der Protestler:

Ich weiß, wie ihr euch fühlt, aber geht nach Hause.

Und dann fiel der verstörende Satz:

Wir lieben euch. Ihr seid etwas ganz Besonderes.

Donald Trump © dpa

Fazit: Die Ära Trump endet wie sie begangen hat: Laut und disruptiv. Aber sie endet.

Die Regierung plant in der Impfstoff-Krise den Befreiungsschlag: In Gesprächen zwischen ranghohen Vertretern der Bundesregierung und Vorstandsmitgliedern der Bayer AG ist es gelungen, eine nationale Impfstoff-Allianz zu schmieden. Das berichtet heute morgen exklusiv unser Hauptstadt-Team.

Demnach sollen das Tübinger Unternehmen CureVac – das Impfstoff-Start-up, an dem der Staat mit 17 Prozent beteiligt ist – und der Pharmakonzern Bayer ihre Kräfte bei Weiterentwicklung, Produktion und Vertrieb des Anti-COVID-19-Impfstoffes bündeln. Ziel der von CEO Werner Baumann bereits im Sommer im Morning Briefing Podcast signalisierten Handreichung ist es, die Impfstoffversorgung im Inland sicherzustellen.

Werner Baumann © imago

Der Vorteil der Kooperation: Beide Partner befinden sich in Deutschland und der Staat kann über seine 300 Millionen Euro schwere Beteiligung mitreden. Wirtschaftsminister Peter Altmaier hatte, nachdem US-Präsident Donald Trump im März 2020 Kaufgelüste gezeigt hatte und der CureVac-Vorstandschef bereits ins Weiße Haus gereist war, aufs Tempo gedrückt. Im Juni stieg dann der Bund ein. Im Morning Briefing Podcast sagte Altmaier seinerzeit:

Germany is not for sale.

Der Nachteil der Vereinbarung darf allerdings auch nicht verschwiegen werden: Noch besitzt CureVac keinen zugelassenen Impfstoff. Das Zulassungsverfahren ist aussichtsreich, befindet sich in der entscheidenden klinischen Phase 3, aber ist noch nicht abgeschlossen. Im schlimmsten Fall stehen die Firmen und der Staat mit leeren Händen vor den Bürgern.

Noch heute sollen Details des Deals der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Wer vorab informiert werden möchte, liest unseren Newsletter „Hauptstadt-Das Briefing”. Eine gute Gelegenheit, Pionier zu werden. Worauf warten Sie noch?

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Die bisher fehlende Wirksamkeit des sogenannten Hammer-Lockdowns sorgt derweil für Spannungen in Bund und Ländern. Die Folge: In Berlin und anderswo hat jenes Spiel der Schuldzuweisungen begonnen, das Daimler-Chef Jürgen Schrempp einst „Bullshit Bingo” nannte.

  • Merkel stutzte ihrem Gesundheitsminister die Flügel, indem für die Impfstoffbeschaffung nun eine Arbeitsgruppe zuständig ist.

  • Bayerns Ministerpräsident Markus Söder setzte seine Gesundheitsministerin Melanie Huml ab, die nun in der Staatskanzlei eine Art Gnadenbrot erhält.

  • Boris Palmer von den Grünen attackiert Merkel und weiß auch den Ministerpräsidenten von Thüringen, Bodo Ramelow, an seiner Seite.

  • Die Polizei erklärt, dass sie die neuen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit allenfalls stichpunktartig kontrollieren kann. Der Bundesvorsitzende Rainer Wendt stellt klar:

Die Polizei kann nur schwerpunktmäßig kontrollieren, nicht flächendeckend.

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  • Die Deutsche Bundesbahn macht unmissverständlich klar, dass sie keinen Reisenden auf Einhaltung der 15-Kilometer-Regel hinweisen wird.

  • Einzelhändler wie der Krefelder Kosmetiker Mecit Uzbay planen, den Lockdown zu ignorieren und am 11. Januar ihre Türen zu öffnen.

Fazit: Die Regierung hat durch die Misere beim Impfstoff-Einkauf an Reputation und Rückhalt verloren. In der bis dahin folgsamen Gesellschaft brodelt es.

Die Lage am heutigen Morgen:

  • Die deutschen Gesundheitsämter haben dem Robert Koch-Institut (RKI) 26.391 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages gemeldet. Außerdem wurden 1070 neue Todesfälle innerhalb von 24 Stunden verzeichnet. Eine Interpretation der Daten bleibt schwierig, weil um Weihnachten und den Jahreswechsel Corona-Fälle laut RKI verzögert entdeckt, erfasst und übermittelt wurden.

  • In der EU ist mit dem Präparat des US-Herstellers Moderna gestern ein zweiter Impfstoff gegen Covid-19 zugelassen worden. Deutschland erhält davon 50 Millionen Impfdosen.

  • Nur die Hälfte der Pflegekräfte in Krankenhäusern ist einer Umfrage zufolge bereit, sich gegen das Virus impfen zu lassen. In Seniorenheimen ist mehreren Umfragen zufolge die Impfbereitschaft unter Pflegekräften noch niedriger.

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  • Die in Großbritannien verstärkt aufgetretene, mutierte Form des Coronavirus ist nun auch in Bayern nachgewiesen worden. Das Gesundheitsministerium bestätigte den Fall einer infizierten Reiserückkehrerin aus Großbritannien.

  • Um britische Schulen während des neuen Lockdowns zu unterstützen, strahlt die BBC jeden Tag mehrere Stunden Unterricht aus. Seit letztem Montag werden täglich drei Stunden Grundschulunterricht und zwei Stunden für Schüler weiterführender Schulen gesendet.

Christian Lindner © dpa

Christian Lindner hat auf dem Dreikönigstreffen in Stuttgart eine Rede im Economy-Class-Format gehalten: solide, aber nicht großartig. Das Presseecho fiel entsprechend verhalten aus. Torsten Huhn aus dem ARD-Hauptstadtstudio fasst die Ausgangslage für den Liberalen folgendermaßen zusammen:

Lindner schlug sich während seiner rund 40-minütigen Rede achtbar – nur mit einem kleinen Stichwortzettel ausgestattet. Es gibt wohl nicht viele Politikerinnen und Politiker in Deutschland, die so frei sprechen können.

Im „Handelsblatt“ befasst sich Redakteur Till Hoppe vor allem mit Lindners Tonalität:

In seiner Ouvertüre zum Superwahljahr bemüht sich Lindner um einen Ton, der den außergewöhnlichen Umständen angemessen ist. Er verkneift sich allzu scharfe Attacken gegen die politischen Rivalen und arbeitet sich, anders als der Stuttgarter FDP-Landeschef Michael Theurer, nicht an den Grünen ab. Eine Lehre aus dem Frühjahr, als Lindners Kritik am Corona-Kurs der Bundesregierung auch vielen FDP-Anhängern zu schrill vorkam.

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Die „Spiegel“-Redakteure Christoph Schult und Severin Weiland blicken in ihrer Analyse bereits auf die im Herbst anstehende Bundestagswahl:

Sollten es zu Koalitionsverhandlungen kommen, liegen die Hürden niedriger als beim letzten Mal: Forderungen, die für Grüne, SPD oder Union unüberwindbar wären, hat Lindner am Dreikönigstag nicht gestellt.

Um die politische Rede in Zeiten der Pandemie geht es heute auch im Morning Briefing Podcast. Der Rhetorik-Trainer Dr. Stefan Wachtel beurteilt die sprachlichen Talente der Spitzenpolitiker.

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Über die rhetorischen Fähigkeiten der Kanzlerin sagt Stefan Wachtel:

Merkel hat eine mäßige Redefähigkeit, aber sie beherrscht eines: Rolle. Sie weiß, sie ist nicht Angela, sondern sie ist Deutschland.

Christian Lindner © imago

Über Lindners Rede beim traditionellen Dreikönigstreffen sagt er:

Er war nicht so stark, wie ich es mir erhofft hatte. Aber vielleicht ist es ganz richtig, dass man hier nicht das ganze Feuerwerk rhetorischen Könnens abfeuert, dass Christian Lindner ohne Zweifel besitzt.

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Über die Rhetorik des bayerischen Ministerpräsidenten Söder sagt Wachtel:

Es gibt eine Regel aus der Bekleidungsberatung: Kleide dich nicht für diesen, kleide dich für den nächsten Job. Söder redet schon für den nächsten Job.

Wie Biden den Multilateralismus erneuern kann

Joseph E. Stiglitz darüber, wie Bidens Regierung Amerika wieder zum Multilateralismus lenken kann.

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Veröffentlicht von Joseph E. Stiglitz.

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Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph E. Stiglitz hat in einem Gastbeitrag für ThePioneer.de die Lage nach den US-Wahlen analysiert. Er sagt:

Der einzige Weg nach vorn führt über einen echten Multilateralismus, bei dem sich der amerikanische Exzeptionalismus den gemeinsamen Interessen und Werten internationaler Institutionen unterordnet. Dies wäre für Amerika ein großer Wandel – von einer Politik der Hegemonie hin zu einer, die auf Partnerschaften beruht.

Europa nach dem Brexit

Strategische Autonomie: Wer wird die geopolitische Führungslücke nach dem Austritt füllen?

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Veröffentlicht in World Briefing von Sigmar Gabriel .

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Auch der Chef der Atlantik-Brücke, der frühere Bundesaußenminister Sigmar Gabriel beschäftigt sich in einem Beitrag für ThePioneer mit der weltpolitischen Lage nach Brexit und Trump. Er sieht Europa vor einer großen Chance, warnt allerdings vor einer Entfremdung zwischen den Partnern Frankreich und Deutschland.

Die anhaltende Debatte über die Außen- und Sicherheitspolitik der EU, die vor allem vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron angeführt wird, hat einen Riss in der Frage nach der strategischen Position Europas aufgerissen.

Und weiter:

Mit seiner Forderung nach ‚strategischer Autonomie’ reagiert Macron auf den Rückzug der USA aus Europa und ihre Neuausrichtung auf den indopazifischen Raum und China. Für Deutschland bedeutet dies, dass es sich einem Moment der Wahrheit nähert.

Fazit: Die Welt dreht sich, drehen Sie sich mit. Möge unsere neue journalistische Plattform ThePioneer Ihnen als Kompass dienen.

Altersversorgung leicht gemacht: Der kanadische Singer-Songwriter Neil Young hat einen Teil seiner Songrechte verkauft. Der Deal mit dem britischen Investmentfonds Hipgnosis Songs umfasst 50 Prozent der Rechte an 1180 Liedern, die Young im Laufe seiner Karriere komponiert hat. Neil Young hat ein Gespür für Noten, das auch Banknoten einbezieht.

Oder um es mit Oscar Wilde zu sagen: „Als ich klein war, glaubte ich, Geld sei das Wichtigste im Leben. Heute weiß ich: Das stimmt.“

Neil Young  © imago

Ich wünsche Ihnen einen Tag der inneren Gelassenheit. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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