VW-Chef: Die Sturmrede

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Guten Morgen,

selten hat in Deutschland ein Unternehmensführer so schonungslos über den Wandel der Wirtschaftswelt gesprochen wie Herbert Diess auf einem internen Treffen mit dem VW-Management. Er sprach über das Automobil. Aber genauso gut hätte er über die Zeitung, die Heizung, die Waschmaschine und die Werkzeugmaschine der Zukunft sprechen können. Diese Rede war das Requiem für eine Gegenwart, die gerade vergeht. Hier die Kernpunkte:

Das Auto ist nicht länger nur Transportmittel. Und das bedeutet auch: Die Zeit klassischer Automobilhersteller ist vorbei.

Das Automobil wird in Zukunft das komplexeste, wertvollste, massentaugliche Internet-Device. Wir verbringen im Automobil der Zukunft mehr Zeit als heute, vielleicht zwei Stunden statt einer.

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Das vernetzte Auto wird die Internetzeit nahezu verdoppeln. Das Auto wird das wichtigste ,Mobile Device’. Wenn wir das sehen, dann verstehen wir auch, warum Tesla aus Sicht der Analysten so wertvoll ist.

Was uns fehlt, das sind vor allem Schnelligkeit und der Mut zu kraftvollem, wenn es sein muss radikalem Umsteuern.

Der Umbau vom Automobilkonzern zum digitalen Tech-Konzern – das ist eine gigantische Herausforderung. Es klingt unwahrscheinlich, dass man sie bewältigen kann.

Wenn dieses Unternehmen kein Industriedenkmal werden soll, dann müssen Sie die Denkmäler des Alltags beiseite räumen.

Sind wir schnell genug? Die ehrliche Antwort lautet: Vielleicht, aber es wird immer kritischer. Wenn wir in unserem jetzigen Tempo weitermachen, wird es sogar sehr eng.

Wir brauchen die gemeinsame Einsicht in die Radikalität des Wandels. In die Größe unserer Aufgabe. Und in die Kürze der Zeit.

Der Sturm geht jetzt erst los.

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Fazit: Herbert Diess, der von BMW zu Volkswagen kam, hielt eine Sturmrede, die helfen soll den Nokia-Moment zu vermeiden. Er hat erkannt, dass die größte Gefahr für die deutsche Volkswirtschaft in einer stolzen Vergangenheit und den saftigen Gewinnen der Gegenwart liegt. Erfahrungsschatz ist in dieser historischen Situation, wo sich die Herausforderungen von Digitalisierung, Globalisierung und Klimawandel gegen das Bestehende verschworen haben, nur ein anderes Wort für Sondermüll. Der Traditionalist ist der Idiot unserer Zeit.

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Gerade an der Spitze der altehrwürdigen Unternehmungen werden jetzt keine Manager gebraucht, sondern Revolutionäre. Die großen Familienunternehmer des Landes, die Familien von Siemens, Henkel, Haniel, von Holtzbrinck, Merck, Quandt und Albrecht, die Schaefflers, die Porsches und die Wackers sollten ihre Denkroutinen durchbrechen, bevor die ihnen anvertrauten Unternehmungen von der Moderne geflutet werden. Peter Sloterdijk hat in „Die schrecklichen Kinder der Neuzeit“ präzise beschrieben, was die Selbstgewissen und Schläfrigen erwartet: „Vergangenheit und Gegenwart bilden die Inkubationszeit eines Ungeheuers, das unter einem trügerisch harmlosen Namen am Horizont auftaucht: das Neue.“

Donald Trump hat viele Gegner, aber keiner wird ihm derzeit so gefährlich wie General Soleimani. Der getötete Iraner wird zum Untoten der amerikanischen Politik. Es gelingt dem US-Präsidenten bisher nicht, eine juristisch wasserdichte Argumentation und eine militärisch überzeugende Beweisführung vorzulegen, die diese Hinrichtung rechtfertigen könnte. Eine Absetzbewegung hat stattgefunden, die von eigenen Kabinettsmitgliedern bis hin zum Deutschen Bundestag reicht.

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Das Weiße Haus hat mittlerweile vier Geheimdienst-Briefings zum Thema Iran abgesagt. Offenbar traut sich der Sicherheitsapparat nicht, die Senatoren und Kongressabgeordneten zu informieren und ihre detaillierten Fragen zu beantworten. Zuletzt hatte der republikanische Senator aus Utah, Mike Lee, seiner Empörung über Trumps Vorgehen freien Lauf gelassen:

Es ist nicht akzeptabel, dass Beamte der Exekutive hereinkommen und uns sagen, dass wir nicht über die Angemessenheit einer militärischen Intervention gegen den Iran diskutieren können. Es ist unamerikanisch. Es ist verfassungswidrig und es ist falsch.

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Auch Verteidigungsminister Mark Esper verweigert eine Bestätigung der ursprünglichen Aussage Trumps, dass Soleimani einen Angriff auf vier US-Botschaften geplant habe:

Ich habe in Bezug auf vier Botschaften keinen Beweis gesehen.

Der Deutsche Bundestag setzte seinen wissenschaftlichen Dienst in Bewegung, der zu dem für Trump unschönen Ergebnis kommt:

Es ist nicht erkennbar, warum die Tötung Soleimanis unbedingt notwendig gewesen sein soll, um eine akute Gefahr für das Leben anderer ultima ratio abzuwehren. Die Tötung Soleimanis erfüllt offensichtlich nicht die Kriterien eines ,finalen Rettungsschusses’ und erscheint damit auch als Verstoß gegen das Recht auf Leben aus Art. 6 UN-Zivilpakt.

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Ein Auftragsmord begangen durch einen US-Präsidenten, womöglich völkerrechtswidrig und ohne handfeste Indizien für die akute Gefährlichkeit dieses Mannes, könnte für Donald Trump gefährlicher werden als das von Nancy Pelosi vorangetriebene Amtsenthebungsverfahren. Auch für einen amerikanischen Präsidenten gilt: Das Recht steht über allem. Der Rechtsstaat hasst nicht.

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Die EU-Kommission hat ihren Finanzierungsplan für den „Green Deal“ vorgestellt, mit dem die Europäische Union bis 2050 dekarbonisiert werden soll. Mit 7,5 Milliarden Euro, aufgeteilt auf sieben Jahre, will die EU den Mitgliedstaaten unter die Arme greifen. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki darf sich freuen. Mit zwei Milliarden Euro – dem Höchstsatz – will Ursula von der Leyen ihm und dem Land den Kohleausstieg schmackhaft machen.

Eine Infografik mit dem Titel: Hilfe für den Kohleausstieg

Verteilung der Finanzmitteln aus dem Übergangsfond für den "Green Deal" der EU-Kommission, in Milliarde Euro

Für den Wechsel von Braun und zu Grün sollen auch andere Staaten finanzielle Unterstützung bekommen. Direkt hinter Polen hofft Deutschland auf 877 Millionen Euro, gefolgt von Rumänien und Tschechien. Der Green Deal schimmert golden. Offenbar steht im Büro der neuen EU-Chefin ein Dukatenesel.

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Annalena Baerbock und Katja Kipping schlagen Jens Spahn und Karl Lauterbach. So geschehen gestern bei der Abstimmung zur Reform der Organspende im Bundestag. 432 Abgeordnete votierten in der dritten und letzten Lesung für den Baerbock-Kipping-Gesetzentwurf, der eine moderate Reform der Organspende vorsieht. 200 Parlamentarier stimmten dagegen, 37 enthielten sich.

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Grünen-Chefin Baerbock brachte den Spahn-Vorstoß mit einer ausgeprägt liberalen Argumentation zu Fall:

Das Leben und der Tod sind so vielfältig wie wir Menschen selbst. Und deswegen kann es nicht die eine Sichtweise auf die Organspende geben, die dann auch noch der Staat verordnet.

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In schwieriger Zeit treffen sich die CDU-Vorsitzende, die Kanzlerin und die gesamte Führung der Christdemokraten heute in Hamburg. Die Stimmung unter den Teilnehmern schwankt zwischen mies und miserabel. Und das aus drei Gründen: Erstens: Die Großstadt-Partei CDU ist nur noch ein Erinnerungsposten. In Berlin, Stuttgart, Frankfurt, Hannover und Düsseldorf regieren andere Parteien. Die CDU in der Hansestadt steht knapp fünf Wochen vor der Bürgerschaftswahl bei lediglich 15 Prozent. Bei der Wahl 2004 holte CDU-Bürgermeister Ole von Beust mit 47,2 Prozent noch die absolute Mehrheit. Zweitens: Bei der Landtagswahl in Thüringen kamen die Christdemokraten hinter Linkspartei und AfD nur noch auf den dritten Platz und müssen nun einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung als Mehrheitsbeschaffer aushelfen. So sehen politischen Demütigungen aus. In der Zeit von 1990 bis 2014 stellte die CDU hier noch den Ministerpräsidenten.

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Drittens: Offiziell stehen auf der Tagesordnung der Vorstandsklausur die großen, globalen Fragen. Zu Gast ist Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Aber intern geht es nur noch um die von CSU-Chef Markus Söder ins Spiel gebrachte Kabinettsumbildung. Gestern berichtete die „Augsburger Allgemeine“, dass Söder bereits Innenminister Horst Seehofer und Verkehrsminister Andreas Scheuer zum Abschuss freigegeben habe.

Den aktuellen Gemütszustand der Union bespricht „Welt“-Vize Robin Alexander im Morning Briefing Podcast mit CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak.

Eine Infografik mit dem Titel: Die Wette auf Apple

Aktienkurs, in US-Dollar

Vor etwas mehr als einem Jahr verkündete Apple-Chef Tim Cook noch eine Umsatzwarnung. Dem Erfolg an den Aktienmärkten tat das keinen Abbruch. Die Aktie kletterte seither um mehr als 120 Prozent und markierte zu Beginn dieser Woche mit 317 US-Dollar ein neues Allzeithoch. Mittlerweile ist Apple 1,4 Billionen US-Dollar (1,2 Billionen Euro) wert – und das, obwohl der Umsatz im Geschäftsjahr 2019, das bei Apple bereits zum Oktober endete, um zwei und der Nettogewinn sogar um sieben Prozent nachgaben. Für den Schub an der Börse gibt es Gründe, die nicht nur mit dem iPhone-Verkauf zu tun haben. Sinkenden Absätzen beim iPhone wirkt Apple bislang mit höheren Preisen entgegen. Mit dem Launch der neuen 5G-fähigen Generation sind zudem neue Hoffnungen verknüpft.

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Eine Wette auf die Zukunft ist auch das Geschäft der sogenannten Wearables. Zuletzt konnte Apple in diesem Segment Wachstumsraten von 50 Prozent vorweisen. Neben der Apple Watch läuft das Geschäft mit den kabellosen Kopfhörern gut. Wie Bloomberg zuletzt berichtete, konnte Apple den Absatz in 2019 auf 60 Millionen Stück verdoppeln. Die weitere Produktpalette um Service- und Medienangebote hat Apple ausgebaut. Die Kundschaft speichert ihre Daten in der Cloud, zückt zum Bezahlen an der Kasse das iPhone und mit weiteren Diensten stößt Apple ins Medien- und Streaminggeschäft vor. Analysten und Beobachter rechnen Apple im Wettbewerb mit Netflix und Disney eine gute Position aus. Fazit: Apple hat die Wege des Hardware-Herstellers verlassen. Die Rede von VW-Chef Herbert Diess (siehe oben) hat man in Cupertino umgesetzt, bevor sie in Wolfsburg verfasst wurde.

Im Gespräch mit der von Jakob Augstein herausgegebenen Wochenzeitung „Der Freitag“ erinnert sich die deutsche „Fridays for Future“-Sprecherin Luisa Neubauer an ihre Begegnungen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und mit Siemens-Chef Joe Kaeser. Die Unterschiede sind auffällig. Über Macron sagt die 23-Jährige:

Beeindruckt hat mich die Art und Weise, wie Macron mit uns gesprochen hat, seine erste Frage war: Was bewegt euch? Er hat uns 20 Minuten lang zugehört.

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Kaeser schneidet weniger vorteilhaft ab:

Der hat mir erstmal sehr lange erzählt, was bei Siemens gerade passiert, und ich hatte noch kein Wort gesagt.

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Wir lernen: Zuhören ist die höchste Kulturtechnik der bürgerlichen Zivilisation. Und Zuhören nicht nur sich selbst. So gesehen gehören die Aussagen über das Kommunikationsverhalten des Firmenchefs eigentlich in die Personalakte. Ich wünsche Ihnen einen ausgeruhten Start in das Wochenende. Es grüßt Sie auf das Herzlichste Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
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