Weihnachten: die fünf goldenen Corona-Regeln

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Guten Morgen,

wer bisher über Bürokratiewahnsinn und staatliche Reglementierungswut in Deutschland klagte, hat noch keine Pandemie erlebt. Der Staat übertrifft sich derzeit mit seiner Detailfreude selbst. Auf der gestrigen Sitzung drangen Kanzlerin und Ministerpräsidenten in die letzten Refugien der Selbstbestimmung vor: förmliche Weihnachten.

Mit folgenden fünf Regeln kommt man sicher über den Jahreswechsel:

Regel 1: Liebe deinen Nächsten wie Dich selbst. Personen aus maximal zwei Haushalten, in jedem Fall nicht mehr als fünf Personen jenseits des eigenen Hausstandes, dürfen sich privat treffen. Am Heiligen Abend lässt der Staat Gnade vor Recht ergehen: Dann sind Treffen im „engsten Familien- oder Freundeskreis” bis maximal 10 Personen möglich. Immer ausgenommen: Kinder bis 14 Jahren.

 © imago

Regel 2: Plane den Einkauf strategisch klug. Im Einzelhandelsgeschäft steht jedem Kunden eine Einkaufszone von 10 Quadratmetern zur Verfügung. Ist das Geschäft größer als 800 Quadratmeter darf eine Person 20 Quadratmeter für sich allein beanspruchen. Achte darauf, dass der Ladeninhaber ein „abgestimmtes Einlassmanagement“ bietet.

Regel 3: Vergnüge und zerstreue Dich nicht. Restaurants, Hotels, Ferienorte, Skihütten und Wellness-Anlagen bleiben bis Januar geschlossen.

 © dpa

Regel 4: Hol die Brettspiele raus. Denn Schulkinder bleiben bereits ab dem 19. Dezember zu Hause; die Weihnachtsferien werden bundesweit vorgezogen.

Regel 5: Jetzt schnell noch Netflix abonnieren oder – besser – Pinsel, Farbe und Leinwand kaufen, um im Do-it-yourself-Verfahren zum Maler zu werden. Das Bewundern anderer funktioniert nicht mehr: Museen, Kinos, Konzerthäuser und Theater bleiben bis auf Weiteres geschlossen.

Fazit: Lerne leiden, ohne zu klagen.

 © dpa

Das digitale Politikmagazin „Politico” aus Washington zeichnet in einer aufwendigen Recherche nach, wie es zum Regierungswechsel in den USA kam. Sechs Autoren und Autorinnen erklären nach Interviews mit 75 Gesprächspartnern, welcher Strategie Joe Biden seinen Wahlsieg verdankt – und woran Trump scheiterte. Hier die Zusammenfassung:

Eine Infografik mit dem Titel: Biden deutlich vor Trump

Anzahl der bei der US-Präsidentschaftswahl gewonnenen Wahlleute, 270 notwendig zum Sieg

Erstens. Trumps größter Fehler war es, die Auswirkungen des Coronavirus zu unterschätzen. Im Februar sprach der damalige Wahlkampfchef Brad Parscale folgende Pandemie-Warnung aus:

Sir, sie kommt. Das ist das einzige, was Ihre Präsidentschaft gefährden könnte.

Trumps eingeschnappte Reaktion:

Dieses verdammte Virus. Was hat es damit zu tun, dass ich wiedergewählt werde?

Eine Infografik mit dem Titel: Eine amerikanische Tragödie

Bestätigte Todesfälle durch das Coronavirus

Zweitens. Die Biden-Kampagne sah darin ihre Chance. Die „Politico“-Autoren schreiben über die Strategie der Demokraten:

Einen Kontrast erzeugen. Den Wissenschaftlern glauben, die Trump ignoriert. Eine Maske tragen. Öffentliche Veranstaltungen absagen. Die Kampagne neu erfinden. Vermeiden, dass Menschen Schaden nehmen.

Biden ließ sich am 11. März ein TV-Studio in den Keller seines Hauses in Wilmington (Bundesstaat Delaware) einbauen und verbreitete von dort aus seine Botschaften.

Drittens. Die Kommunikation zwischen dem Trump-Team und der republikanischen Partei brach in der entscheidenden Schlussphase des Wahlkampfs ab. Auseinandersetzungen zwischen Republikaner-Chefin Ronna McDaniel und Trumps Wahlkampfchef Bill Stepien waren an der Tagesordnung. Die Demokraten versammelten sich hinter ihrem Kandidaten und setzten die wohl wichtigste Kampagnenstrategie um: Message Control.

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Viertens. Trumps Finanz- und Spendenteam, angeführt von der ehemaligen Fox-News-Moderatorin Kimberly Guilfoyle, erwies sich als Desaster. Der Präsident konnte mit Bidens Spendenmaschine, die vor allem auf kleine Beträge von vielen Unterstützern setzte, nicht mithalten. Biden nutzte das Geld, um in besonders umkämpften Bundesstaaten eine Reihe von Blitz-Werbeoffensiven zu buchen. Sein zusätzlicher Vorteil war eine großzügige 100-Millionen-Dollar-Spende des im Vorwahlkampf ausgeschiedenen Milliardärs Michael Bloomberg.

Eine Infografik mit dem Titel: Milliardenschlacht ums Weiße Haus

Kosten der US-Wahlen 2020 pro Partei, in Milliarden Dollar

Fünftens. Bidens Entscheidung Mitte August, Kamala Harris zu seiner Vize-Kandidatin zu ernennen, war an der Basis der Partei umstritten. Bei den Spendern löste Harris’ Nominierung jedoch Euphorie aus. Der Biden-Vertraute Dick Harpootlian sagte „Politico”:

Der entscheidende Moment in der Kampagne war die Wahl von Kamala. Schauen Sie sich den Tag danach an: Das Geld sprudelte wie verrückt.

Die Folge: Im August konnte die Biden-Kampagne 365 Millionen Dollar einsammeln, 154 Millionen Dollar mehr als Trumps Team. Das September-Ergebnis lag nochmals höher. Nach dem Tod der liberalen Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg gingen sogar 383 Millionen Dollar an Spenden auf dem Konto der Biden-Kampagne ein, 135 Millionen Dollar mehr als beim Gegner.

Kamala Harris © dpa

Sechstens. Die erste TV-Debatte zwischen Trump und Biden am 29. September schadete vor allem dem Amtsinhaber, der unbeherrscht und mürrisch wirkte. Ein Trump-Berater im Gespräch mit „Politico”:

Warum hat Trump Biden 90 Minuten lang angeschrien? Niemand weiß es.

Siebtens. Der Trump Kampagne ging im Schlussspurt die Puste aus. Dem Titelverteidiger und seinem Team fehlten Geld und Fokus für die wahlentscheidenden Bundesstaaten. Biden konnte schließlich die 2016 von Trump gewonnenen Bundesstaaten Pennsylvania, Michigan, Wisconsin, Georgia und Arizona für sich entscheiden. Die „blue wall” stand; der 77-jährige Joe Biden wurde mit 306 Wahlmänner und -frauen zum Sieger erklärt. Angesichts der hohen Wahlbeteiligung hat kein amerikanischer Präsident jemals mehr Stimmen auf sich vereinigt als er.

Eine Infografik mit dem Titel: Bidens Rekordergebnis

Die zehn Sieger der US-Präsidentschaftswahlen mit dem höchsten "popular vote", in Millionen

Die Abwahl von Trump hat nun ein mediales Nachspiel: Am 12. November verschickte Donald Trump um 17:10 Uhr einen Tweet, der das Ende einer mächtigen Allianz besiegelte. Der frisch abgewählte US-Präsident schrieb:

Die Einschaltquoten sind völlig zusammengebrochen. Tagsüber am Wochenende noch schlimmer. Sehr traurig, das zu sehen, aber sie haben vergessen, was sie erfolgreich gemacht hat, was sie dorthin gebracht hat. Sie haben die Goldene Gans vergessen.

 © dpa

Mit der Goldenen Gans meinte er sich selbst – als Quotenmagnet für den von Rupert Murdoch geführten konservativen Nachrichtensender. Trump ist wütend auf Fox News. Denn der Sender, der in den vergangenen Jahren fest an seiner Seite stand, erkannte frühzeitig Bidens Wahlsieg an und rief in der Wahlnacht den „Swing State“ Arizona früh für Biden aus. Für das Trump-Team war das ein Schock. Präsidenten-Schwiegersohn Jared Kushner rief laut der „New York Times“ Murdoch an und versuchte, den Sender zum Rückzug zu bewegen – vergeblich.

Der Journalismusprofessor und Buchautor Jeff Jarvis von der City University of New York glaubt, den Grund für die Distanzierung zu kennen:

Murdoch erkennt einen Loser, wenn er ihn sieht.

 © dpa

Die Bahn fährt in diesem Jahr einen Rekordverlust ein: 5,6 Milliarden Euro werden aller Voraussicht nach am Jahresende als Minus in den Bilanzen des Unternehmens stehen. Das geht aus Unterlagen für eine Aufsichtsratssitzung am 9. Dezember hervor, von denen die „FAZ“ berichtet.

Ein Grund des hohen Verlustes: die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Die Fahrgastzahlen sind seit Monaten niedrig, oft sind Fernzüge nur noch zu 20 Prozent ausgelastet, die Regionalzüge zu 55 bis 60 Prozent.

Eine Infografik mit dem Titel: Gespenstische Leere

Anzahl der Passagiere im Eisenbahn-Verkehr in Deutschland, im jeweils ersten Halbjahr, in Millionen

Allerdings kann der staatseigene Konzern das Rekordminus nicht nur mit der Corona-Pandemie erklären. Hinzu kommt eine hohe Sonderabschreibung bei der Tochtergesellschaft DB Arriva, in der das Auslandsgeschäft im Nahverkehr gebündelt ist, von mindestens 1,4 Milliarden Euro. Ferner muss die Bahn noch eine halbe Milliarde Euro Verlust aus einer weiteren Sonderabschreibung sowie Zinsen verdauen.

Der Bund hat bereits angekündigt, das Eigenkapital um rund 5 Milliarden Euro zu erhöhen, was allerdings kaum ausreichen dürfte: In der mittelfristigen Finanzplanung kalkuliert das Unternehmen in den nächsten fünf Jahren mit einem Verlust von bis zu 11 Milliarden Euro.

Eine Infografik mit dem Titel: Deutsche Bahn fährt in die falsche Richtung

Netto-Schulden und Anteil pünktlicher Fernverkehrszüge der Deutschen Bahn

Fazit: Das Staatsversagen im Bereich der Bahn AG bleibt auch dann ein Staatsversagen, wenn sich nahezu alle Politiker daran gewöhnt haben. Die Mobilitätswende, von der alle immer sprechen, bekommt die Bahn in ihrer derzeitigen Verfasstheit niemals hin.

Einer der bekanntesten Investoren in den USA ist der Deutsche Albert Wenger. Der Partner der New Yorker Investmentfirma Union Square Ventures gewann mit 18 Jahren den Informatikwettbewerb in Deutschland, machte dann aber Karriere in den USA, studierte in Harvard, promovierte am renommierten Massachusetts Institute of Technology und gründete und investierte in Firmen, die dann an Yahoo, Google oder Adobe verkauft wurden.

Im aktuellen Tech Briefing Podcast spricht Wenger mit dem Start-Up-Investor und Podcast-Host Christian Miele über die neue Welt der vernetzten Daten, das knappe Gut Aufmerksamkeit und den Weg von der Industrie- in die Wissensgesellschaft.

Albert Wenger sagt:

Wir produzieren Informationen ohne Ende, aber unsere Knappheit liegt im Wissen. Die tiefere Erkenntnis über uns selbst, über wissenschaftliche Themen oder über die Welt, das ist die wahre Knappheit.

Die digitale Technologie stellt eine radikale Veränderung des menschlichen Fassungsvermögens dar. Wenger vergleicht das mit der Umstellung der Jäger und Sammler-Phase zum Agrarzeitalter.

Der fundamentale Fehler, den die meisten Politiker machen, ist, die neuen Maschinen, die digitalen Maschinen, als Fortsetzung der industriellen Maschinen zu sehen und dann über Industrie 4.0 zu reden.

 © dpa

Wer den Investor für einen lupenreinen Kapitalisten hält, denkt zu kurz:

Dieses kapitalistische System ist erfolgreich, aber für die großen Probleme der Welt gibt es keine Märkte. Für manche Dinge gibt es keine Preise, weder Angebot noch Nachfrage.

Prädikat: erhellend!

 © Media Pioneer

Knapp 80 Prozent der Deutschen finden die Corona-Politik der Bundesregierung richtig. Eine Handvoll renommierter Gesundheitsexperten und Ärzte sieht das anders. In einem 50-seitigen Thesenpapier rechnen sie mit der bisherigen Pandemie-Bekämpfung ab. Die Inzidenzzahlen seien unzuverlässig und nicht valide, sagen sie.

Die allgemeinen Kontaktbeschränkungen würden das Problem nicht lösen und führten am Ende zu einer „kalten Herdenimmunität“.

Die Autoren fordern eine gezielte Schutzpolitik für Risikogruppen und schlagen einen neuen Pandemie-Parameter vor, der die Zahlen über die Belastung des Gesundheitssystem und Schätzungen zur Dunkelziffer der nicht-getesteten Bevölkerung einbezieht. Zu den Autoren gehören der frühere Vize-Chef des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Matthias Schrappe, die Bundesverdienstkreuzträgerin und Pflegemanagerin Hedwig Francois-Kettner und der Bremer Gesundheitsökonom Gerd Glaeske.

Ihr Fazit:

Ein Strategiewechsel ist unvermeidlich.

Die Kollegen des Hauptstadt-Teams berichten ausführlich über das Thesenpapier. Das und weitere Themen im Newsletter „Hauptstadt Das Briefing”. Anmelden hier: thepioneer.de/hauptstadt

Alev Doğan © Cedric Soltani

Im Vordergrund der Berichterstattung über die beiden Biontech-Gründer Özlem Türeci und Uğur Şahin steht nicht, dass sie vor einem Durchbruch in der Pandemiebekämpfung stehen, sondern dass sie Muslime sind und Migrantionshintergrund besitzen. „Integration zahlt sich aus" und „Ein Beispiel für den Mehrwert von Vielfalt“ heißt es in den Überschriften.

Meine Kollegin Alev Doğan hält diese Stilisierung für gefährlich. Denn wer die gelungene Integration eines Landes an nur zwei Personen festmache, so ihr Argument, erlaube ein Denkmuster, das auch umgekehrt funktioniere. Der Sündenbock ist – so gesehen – nur das Spiegelbild des Helden. Diesen streitbaren Text finden Sie da, wo Sie auch andere streitbare Texte finden: auf ThePioneer.de

 © Anne Hufnagl

Dirk Roßmann ist in der deutschen Öffentlichkeit als Gründer und Geschäftsführer der Drogeriemarktkette Rossmann bekannt. Gegenwärtig ist sein Unternehmen mit 4.100 Filialen und über 33.000 Mitarbeitern hinter dm die zweitgrößte Drogeriemarktkette in Deutschland.

Doch der Unternehmer hat auch noch andere Leidenschaften: Soeben publizierte er den 400 Seiten starken Thriller „Der neunte Arm des Oktopus”. Das Buch handelt von der Utopie, dass die drei Großmächte USA, China und Russland angesichts der dramatischen Folgen des Klimawandels zusammenarbeiten und gemeinsam das Militär gegen Klimasünder und Regenwaldabholzer einsetzen. Wie es zu diesem Gedankenexperiment kam, habe ich mit ihm an Bord der PioneerOne für den heutigen Morning Briefing Podcast besprochen:

Dieses Buch ist aus meinem Bauch gekommen und nicht aus meinem Gehirn. Ich glaube, mein Gehirn ist viel zu dämlich für das Buch. Aber die Handlung hat sich aufgedrängt.

 © Anne Hufnagl

Über seine Motivation, sich für das Klima zu engagieren und das Buch zu schreiben, sagt er:

Wir können doch nicht mit ansehen, wie wir alles kaputt machen. Daran will ich einfach nicht glauben.

Möglicherweise ist das Buch auch ein politischer Fingerzeig in Richtung Schwarz-Grün? Dirk Roßmann sagt:

Ich bin ehrlicher als ein Grüner.

Fazit: Ein ungewöhnlicher Unternehmer hat ein ungewöhnliches Buch geschrieben. Sein Stoff ist düster und dramatisch. Sein Schreibstill provokativ und packend. Im Buchregal sollte dieser Thriller zwischen Jules Verne und Frank Schätzing stehen.

 © McKinsey

Der neue Chef von McKinsey Deutschland und Österreich wird am 1. März 2021 seinen Dienst antreten: Er heißt Fabian Billing. Der 46-Jährige ist Senior Partner im Düsseldorfer Büro, berät Unternehmen bei großen Transformationen und hat auch zahlreiche Fusionen begleitet. Die Arbeitswelt anderer Firmen kennt er vor allem aus den Powerpoint Charts seiner Präsentationen. Denn: Der studierte BWLer hat sein gesamtes Berufsleben bei McKinsey verbracht.

 © Handelsblatt

Führungswechsel beim „Handelsblatt“: Sven Afhüppe geht, sein Stellvertreter Sebastian Matthes wird neuer Chefredakteur. Der eine hatte die Zusammenlegung von Print- und Online-Redaktion und den Live-Journalismus kraftvoll ins Werk gesetzt, der Nachfolger wird nun die Digitalisierung von Deutschlands größter Wirtschaftszeitung vorantreiben. Beide verbindet ökonomische Exzellenz und journalistische Leidenschaft. Und feine Kerle, wenn ich das als Weggefährte so salopp sagen darf, sind die beiden auch. Kurz und gut: Um das „Handelsblatt“, das im kommenden Jahr seinen 75. Geburtstag feiert, muss uns nicht bange sein. Glück auf, Sebastian. Dankeschön, Sven!

 © Handelsblatt

Ich wünsche Ihnen einen kraftvollen Start in den Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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