Wie viel Trump steckt in Merz?

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Guten Morgen,

in der CDU hat vor der Wahl eines neuen Vorsitzenden, die am kommenden Wochenende stattfinden soll, eine Flüsterkampagne begonnen, die Friedrich Merz als Gefolgsmann von Trump und seinem früheren Arbeitgeber BlackRock als Trump-Profiteur porträtiert. Höchste Zeit, Fakten und Fiktion voneinander zu trennen.

Falsch ist: Merz ist ein Fanboy von Trump. Er hat sich zu keinem Zeitpunkt wirklich lobend über Trump ausgesprochen. Er war und blieb ein höflicher Skeptiker.

Richtig ist aber, dass er als Chef der Atlantik-Brücke (2009 bis Juni 2019) und Aufsichtsratsvorsitzender der deutschen Tochtergesellschaft von BlackRock (2016 bis März 2020) immer den Gesprächsfaden zur Trump-Administration gesucht und gefunden hat; bis zum Schluss rechnete Merz offenbar mit der Wiederwahl von Donald Trump, weshalb er sich im „Bild“-Interview zu dem kumpeligen Satz hinreißen ließ:

Trump und ich – wir kämen schon klar.

 © dpa

Falsch ist die Bezeichnung von Friedrich Merz als „deutschem Donald Trump”. Diesen unvorteilhaften Titel hat ihm das amerikanische Polit-Magazin „Politico“ verliehen. Dabei ist Merz, vor allem wenn es um den internationalen Handel geht, um die Freizügigkeit von Dienstleistungen und Produkten, im Kontrast zu Trump ein Globalist und kein Nationalist. Der „Zeit“ sagte er:

Wir wollen und wir müssen an Globalisierung und Multilateralismus festhalten.

Friedrich Merz  © dpa

Richtig aber ist, dass es Überschneidungen in der Finanz- und Wirtschaftspolitik gibt. Trump und Merz setzen beide auf Steuersenkungen. Diese haben in der amerikanischen Volkswirtschaft einen erheblichen Einfluss auf die günstige Konjunktur gehabt. In den Trump-Jahren 2017 bis 2019 wuchs die Volkswirtschaft durchschnittlich mit einer jährlichen Wachstumsrate von 2,5 Prozent. Insgesamt entstanden in dieser Phase monatlich gut 170.000 neue Jobs. Merz hat diese Effekte der Steuerpolitik früh gesehen – und anerkannt.

Falsch ist, dass Friedrich Merz in seiner vierjährigen Amtszeit als Aufsichtsratsvorsitzender der deutschen Tochtergesellschaft von BlackRock aktiv von Donald Trump profitiert hat. Soweit reichte der Arm des Weißen Hauses nicht.

Richtig ist aber, dass die Muttergesellschaft von BlackRock einer der größten Profiteure der Trump-Jahre war, denn: Kurz nach Ausbruch der Corona-Pandemie hat die US-Notenbank (FED), die anders als in Europa nicht unabhängig von der Politik agieren kann, BlackRock damit beauftragt, ein milliardenschweres Programm zum Kauf von Unternehmensanleihen umzusetzen. Das Fazit von „Bloomberg Businessweek“:

BlackRock ist jetzt die vierte Staatsgewalt.

 © Reuters
  • Die FED stemmte sich – ähnlich wie die EZB – mit diesem Corona-Hilfspaket gegen die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie. Ziel war es, in Not geratene Unternehmen mit frischen Finanzmitteln zu stützen.

  • Die Notenbank stieg indirekt in den Kauf von Unternehmensanleihen mit guter Bonität (Investment Grade) und entsprechende börsengehandelte Fonds (ETF) ein. Der direkte Ankauf solcher Titel ist ihr aber verboten. Die FED stellte daher die Leitlinien auf, durchgeführt wurden die eigentlichen Wertpapierkäufe von BlackRock.

  • BlackRock investierte nach Informationen des „Wall Street Journals“ im Auftrag der Notenbank bis zu 750 Milliarden Dollar in Firmenanleihen, das entspricht ungefähr dem Doppelten eines durchschnittlichen deutschen Bundeshaushalts. Die Aktie von BlackRock entwickelte sich im Corona-Jahr prächtig.

  • Im 66-seitigen Vertrag, abgeschlossen zwischen der FED und dem Vermögensverwalter, ist festgehalten, dass BlackRock eine „Verwaltungsgebühr” für seine Dienste erhält.

Eine Infografik mit dem Titel: BlackRock kann glänzen

Aktienverlauf seit der Amtseinführung von Präsident Donald Trump am 20. Januar 2017, in US-Dollar

Eine Infografik mit dem Titel: Bank of America gewinnt

Aktienverlauf seit der Amtseinführung von Präsident Donald Trump am 20. Januar 2017, in US-Dollar

Eine Infografik mit dem Titel: Deutsche Bank verliert

Aktienverlauf seit der Amtseinführung von Präsident Donald Trump am 20. Januar 2017, in US-Dollar

Falsch ist, dass Merz von diesem Deal profitiert hat. Aber richtig ist, dass der CDU-Politiker anders sprach als sein langjähriger Arbeitgeber handelte. Friedrich Merz war und ist einer der großen Kritiker dieser letztlich im Staatsauftrag durchgeführten Aufkäufe von notleidenden Aktien und unter Druck geratenen Staats- und Unternehmensanleihen. Zu Recht: Denn diese Aufkäufe inflationieren die Geldmenge. Sie entkoppeln Risiko und Verantwortung. Sie sorgen dafür, dass der Zins seine Bedeutung verlor und allein die deutschen Sparer einen Vermögensschaden in Milliardenhöhe erleiden. Auf die Geschäftspolitik seines Arbeitgebers hatte diese Haltung keinerlei Einfluss.

Friedrich Merz © imago

Fazit: Das Thema BlackRock wird Friedrich Merz noch lange begleiten, auch deshalb, weil immer neue Facetten dieser offenbar symbiotischen Beziehung zwischen Trump-Regierung, Notenbank und BlackRock-Gründer Larry Fink das Licht der Welt erblicken. Die Aufarbeitung der Ära Trump – ‚Wer hat den New Yorker Immobilienmogul eigentlich nach ganz oben befördert, wer hat ihn beraten, wer hat von ihm profitiert?’ – wurde in den USA soeben gestartet. Die Nachbeben dieser Aufarbeitung dürften auch Deutschland erreichen. Ein Präsidiumsmitglied der CDU prophezeit:

Wenn Merz Kanzlerkandidat wird, werden wir einen BlackRock-Wahlkampf führen müssen.

Distanziere sich, wer kann: Am Ende der Ära Trump ist ein Wettlauf um die größtmögliche Distanz zum Noch-Präsidenten in Gang gekommen.

  • Weit vorne liegen die Milliardäre der Digitalkonzerne, die den Twitter-König nach dessen Sturz noch einmal medienwirksam entthronten.

  • Die große alte Dame der Demokraten, Nancy Pelosi, fühlt sich durch den Wähler offensichtlich um die Früchte ihrer Anti-Trump Arbeit gebracht. Derweil Trump schon seine Koffer packt, kämpft sie um ein Amtsenthebungsverfahren, das wenige Tage vor der Amtsenthebung durch den Wähler anachronistisch wirkt.

  • Die großen Spender der Wall Street finden jetzt heraus, dass ihr Geld offenbar schlecht, weil anti-demokratisch investiert war: ‚Anlagebetrug im Weißen Haus’, rufen sie.

  • Fehlt nur noch, dass sich auch Steve Bannon hintergangen fühlt, weil Trump ihm versprochen hatte, das Capitol nicht zu stürmen, sondern zu sprengen.

Fazit: Amerika hat sich in ein großes Selbstgespräch vertieft. Unwillkürlich fühlt man sich an Botho Strauss und sein „Lichter des Toren – Der Idiot in seiner Zeit“ erinnnert:

Wie andere an Kassensturz, sollte der Idiot, solange er dazu in der Lage ist, hin und wieder einen Bewusstseinssturz machen, um zu prüfen wie weit er über seine Verhältnisse gefühlt und gedacht hat.

Botho Strauss © imago

Dieser Bewusstseinssturz findet gerade statt.

 © imago

Heribert Prantl ist der kluge Kopf der „Süddeutschen Zeitung“. Und: Der ehemalige Richter und Staatsanwalt, der später zum Mitglied der SZ-Chefredaktion aufstieg und sich heute als Leitartikler, Buchautor und Video-Kolumnist zu Wort meldet, ist der große Liberale der deutschen Publizistik.

Über die Rolle des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder und seine Ambitionen für dieses Jahr sagt er im Morning Briefing Podcast:

Es schmeichelt ihm ungeheuer, dass ganz Deutschland davon spricht, dass er der geeignete Kandidat wäre. Ob er es wirklich ist, bezweifle ich sehr stark.

Wenn jetzt Markus Söder davon spricht, dass Corona so schlimm sei wie die Pest – solche Worte sollte man ihm wieder in den Mund zurückstopfen. Die machen den Leuten noch mehr Angst, als sie ohnehin schon haben.

Markus Söder © dpa

Über die FDP sagt er:

Ich denke, es gibt eine Sehnsucht nach liberalen Antworten auf die Pandemie. Aber in der FDP ist kein aktiver Politiker, der diese Sehnsucht befriedigt.

Auch sein Diktum über Christian Lindner fällt wenig schmeichelhaft aus.

In den Bundestagsdebatten über die Anti-Coronamaßnahmen blieb Christian Lindner matt und substanzarm. Wenn das so weitergeht, muss sich die FDP nicht darüber unterhalten, ob sie vielleicht doch in eine Jamaika-Koalition eintritt, was sie sich vor dreieinhalb Jahren nicht getraut hat. Denn dann stellt sich die Frage, ob diese mutlose FDP überhaupt wieder in den Bundestag einzieht.

Über die Corona-Politik der Bundesregierung sagt er:

Für viele Menschen und Betriebe ist das existenzgefährdend.

Es geht nicht darum, dass man Grundrechte dem Virus wie einer archaischen Gottheit opfert, die man durch symbolhafte Opfergaben und Verzichtsgehorsam befriedigen muss.

Fazit: Falls Sie vorhaben sollten, heute nur ein Gespräch lesen oder hören zu wollen, dann bitte dieses. Heribert Prantl spricht klug und deutlich; er wirkt wie eine Stoßlüftung für den Kopf.

  • INNERE SICHERHEIT: NRW-Regierungschef Armin Laschet punktet im Kandidatenrennen ausgerechnet mit der inneren Sicherheit, einem Thema, das ihm kaum einer zugetraut hat. Mehrere Innenpolitiker, Staatssekretäre und Landesminister sprechen sich für Laschet als neuen CDU-Vorsitzenden aus und loben seine NRW-Bilanz. Auch Markus Söder und Friedrich Merz räumen ein, dass Laschets Innenminister Herbert Reul als Law-and-Order-Mann funktioniert. Die Anzahl der registrierten Straftaten in NRW war nie so niedrig wie 2019, zugleich ist NRW bei der Rückführung von Gefährdern bundesweit führend.

  • IMPFSTOFF-MISERE: Der Anti-Corona-Impfstoff ist weiterhin knapp, eine Linderung der Situation ist zunächst nicht in Sicht, wie das Gesundheitsministerium in einem internen Lagebericht für die Abgeordneten des Bundestages einräumt. Vom US-Impfstoff Moderna gibt es bis März nur zwei Millionen Dosen, der CureVac-Impfstoff soll frühestens im April eine „bedingte Zulassung” bekommen.

Alle Details und weitere Themen im Politikteil von ThePioneer. Wer sich für diesen kostenpflichtigen Newsletter aus der Pioneer-Familie anmelden möchte, ist hier richtig: thepioneer.de/hauptstadt

 © dpa

Nach dem Sturm auf das US-Kapitol hat Heiko Maas – im Hauptberuf Außenminister, im Nebenberuf Oberlehrer – den USA eine engere Zusammenarbeit im Kampf für die Demokratie angeboten.

Wir sind bereit, mit den USA an einem gemeinsamen Marshallplan für die Demokratie zu arbeiten.

Fazit: Noch vor Amtsantritt müssen sich Joe Biden und Kamala Harris vom deutschen Außenminister verspotten lassen. Der Mann weiß, wie man Freundschaften begründet. Die großen deutschen Chefdiplomaten Willy Brandt, Walter Scheel und Hans-Dietrich Genscher dürften sich am heutigen Morgen gemeinsam im Grab umdrehen.

Unsere Wall-Street-Reporterin Sophie Schimansky ist eine Frau, die finanzpolitischen Sachverstand mit journalistischer Leidenschaft verbindet. Sie wird ab heute börsentäglich um 17:30 Uhr aus New York über das Treiben an den Finanzmärkten informieren. In Wall Street Daily geht es ihr darum, das Undurchschaubare transparent und das Komplexe verständlich zu machen. Wir bei ThePioneer wollen, dass Sie von den Chancen der Börse profitieren und die Risiken nicht fürchten, sondern besser einschätzen können. Unabhängige Informationen, die von keiner Bank gesponsert und keinem Online-Broker gefiltert werden, sind das Gold unserer Zeit: ThePioneer.de

Jan Marsalek © Wirecard

Der frühere Wirecard-Manager Jan Marsalek ist seit Juni untergetaucht. Die Ermittler werfen ihm und dem früheren Vorstandschef Markus Braun „gewerbsmäßigen Bandenbetrug“ vor. Nun berichten WDR, NDR, „Süddeutsche Zeitung“ und das österreichische Nachrichtenmagazin „Profil“, dass Marsalek allein zwischen 2018 und 2020 mit weiteren Personen 505 Millionen Euro aus dem Unternehmen beiseite geschafft haben soll. Das geht aus dem europäischen Haftbefehl vor:

  • So wirft die Staatsanwaltschaft Marsalek vor, von 2015 bis 2020 mindestens 15 Straftaten begangen zu haben.

  • Vier Fälle von Bilanzfälschung und Manipulation des Aktienkurses von Wirecard; mindestens fünf Fälle der besonders schwerwiegenden Veruntreuung von Wirecard-Vermögen; mindestens sechs Fälle des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs.

Eine Infografik mit dem Titel: Zockerei mit Pennystock

Verlauf der Wirecard-Aktie vom 4. bis 8. Januar, in Euro

Investoren und Shortseller nutzten derweil ungerührt den letzten Handelstag der Wirecard-Aktie im Xetra-System am Freitag, um noch einmal Kasse zu machen. So war ein Anteilsschein am vergangenen Montag 30 Cent wert, einen Tag später kletterte der Kurs auf bis zu 1,60 Euro – ein Plus von rund 430 Prozent. Danach sackte der Kurs wie ein erkaltetes Soufflee wieder zusammen.

Vom Cover der Februar-Ausgabe des Modemagazins „Vogue“ grüßt mit Kamala Harris die designierte Vizepräsidentin der USA. Joe Bidens Stellvertreterin gilt als Vertreterin einer durchsetzungsstarken Rechtspolitik. Gleichzeitig ist die 56-Jährige das moderne Gesicht der neuen Regierung. Die Chefredaktion der „Vogue“ versucht diese Ambivalenz fotografisch auszudrücken: Das Print-Cover zeigt Harris in schwarzer Jeans und Turnschuhen.

 © Vogue

In der Online-Ausgabe ist sie in hellblauem Anzug vor goldenem Stoff zu sehen.

 © Vogue

Eine Person, zwei Botschaften: Das neue Amerika besitzt wieder mehr als einen Ton. Oder anders ausgedrückt: Diversity beginnt, wenn wir selbst viel- anstatt einfältig sind.

Ich wünsche Ihnen einen selbstbewussten Start in die neue Woche. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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