Woche der Hoffnung

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 © ThePioneer

Guten Morgen,

diese Woche beginnt mit einer guten Nachricht: Die Öffnungspolitik der Bundesregierung wird nach vertraulichen Informationen aus dem Umfeld der Kanzlerin in dieser Woche an Fahrt gewinnen. Auch Angela Merkel ist laut diesen Informationen überzeugt, dass die nächsten Schritte in Richtung Normalität verantwortbar sind.

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Es sind sieben Punkte, die bei Merkel, Kanzleramtsminister Helge Braun und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder – die bislang alle skeptisch waren – ihre Wirkung nicht verfehlt haben:

Erstens. Die Zahl der aktiv Corona-Infizierten sinkt weiter und hat die Schwelle von 30.000 deutlich unterschritten. Für die zweite Welle, von der zwischenzeitlich die Rede war, gibt es bislang keinen Beleg der Wissenschaftler, auch wenn die für heute geplante Öffnung der Schulen zu einem leichten Anstieg führen dürfte.

Eine Infografik mit dem Titel: Die Corona-Pandemie in Deutschland

Anzahl der Infizierungen insgesamt, der aktuell Erkrankten und der Todesfälle

Zweitens. Die Reproduktionsrate, also jene Zahl, die angibt, wie viele Menschen ein Infizierter ansteckt, liegt mittlerweile bei 0,78. Das bedeutet: Die Unterbrechung der Infektionsketten durch strenge Hygienemaßnahmen und Social Distancing funktioniert.

Drittens. Die Intensivbetten in den Krankenhäusern sind weitgehend leer. Die Kliniken klagen über Unterbeschäftigung. Das Personal so mancher medizinischen Einrichtung befindet sich in Kurzarbeit.

Viertens. Ein veritabler Durchbruch des Pharmakonzerns Roche beim Antikörpertest beendet schon in Kürze die Phase der Datenunsicherheit. Denn der Antikörpertest gibt zuverlässig Auskunft darüber, wie viele Menschen die Krankheit hinter sich und damit den Status der Immunität erreicht haben. Heute werden Markus Söder und Jens Spahn den Roche-Standort in Penzberg bei München besuchen, um diesen medizinisch-technischen Fortschritt zu zelebrieren.

Fünftens. Die Wirtschaft drängt massiv auf die Wiedereröffnung und weist die Kanzlerin auf die schweren Eingriffe in die Biografien vieler Unternehmer hin. 29,2 Prozent der 9000 vom Ifo-Institut befragten Unternehmen gaben zuletzt an, höchstens drei Monate überleben zu können. 52,7 Prozent sagen, sie könnten maximal sechs Monate durchhalten. Vielen Familienunternehmern steht das Wasser bis Oberlippe Unterkante.

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Sechstens. Die Urlaubsländer Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, aber mittlerweile auch Bayern machen politischen Druck. Nordrhein-Westfalen, unter Führung von Armin Laschet und seinem Stellvertreter Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, will die weiteren Beschlüsse in Berlin gar nicht mehr abwarten. Bei der Öffnung von Kitas droht die Landesregierung mit einem Alleingang, sollte die Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten am Mittwoch keinen einheitlichen Öffnungskurs beschließen. Im Morning Briefing Podcast sagt Stamp:

Wir lassen uns nicht noch eine Woche vertrösten.

Ich finde, es ist kein dauerhafter Zustand, dass allein die Kanzlerin mit den 16 Ministerpräsidenten festlegt, was geht und was nicht geht. Sonst könnte man den Eindruck bekommen, wir seien bei Hofe.

Siebtens. Führenden Virologen, die namentlich nicht genannt werden wollen, ist es gelungen, dem Team der Kanzlerin eine Alternative zum allgemeinen Lockdown nahezubringen. Demnach werden Einsatzpläne vorbereitet, wie man neue lokale und regionale Hotspots des Virus, also ein zweites Ischgl oder ein neues Heinsberg, so abschirmt, dass nicht die gesamte Volkswirtschaft abgewürgt werden muss. Fazit: Derzeit werden die aktuellen Zahlen aufbereitet, um sie Merkel zu präsentieren. Auf dieser Grundlage finden dann die Gespräche mit den Ministerpräsidenten am Mittwoch statt. Ein neuer Konsens zeichnet sich ab: Pandemie-Bekämpfung und Wiedereröffnung werden nicht mehr als Gegensätze, sondern als Doppelstrategie begriffen, auch wenn diese nicht gänzlich ohne Risiko ist. Oder wie der Dramatiker Friedrich Hebbel zu sagen pflegte: „Der Optimist sieht das Paradies. Der Realist das Paradies plus Schlange.

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Bundesinnenminister Horst Seehofer hat das Krisenmanagement der Regierung gelobt. Der „Bild am Sonntag“ sagte der CSU-Politiker:

Angela Merkel führt Deutschland gerade sehr stark durch die Krise.

Seehofer zufolge wird hinter den Kulissen über eine mögliche fünfte Amtszeit der Kanzlerin gesprochen:

Ich kann nicht bestreiten, dass ich den Gedanken in letzter Zeit öfter gehört habe.

Die Äußerungen überraschen, schließlich hat Merkel eine solche fünfte Amtszeit selbst kategorisch ausgeschlossen. Am 29. Oktober 2018, einen Tag nach der für die CDU verheerenden Hessen-Wahl, kündigte die damalige CDU-Chefin ihren schrittweisen Rückzug aus der Politik an:

Das Bild, das die Bundesregierung abgibt, ist inakzeptabel.

Als Bundeskanzlerin trage ich die Verantwortung für Gelungenes und Misslungenes.

Die vierte Amtszeit ist meine letzte als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland.

Doch seit diesem Auftritt hat sich vieles verändert.

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Annegret Kramp-Karrenbauer, Merkels Nachfolgerin an der CDU-Spitze, hat auf ganzer Linie enttäuscht. Sie ist nur noch der Schatten ihrer selbst.

Eine Infografik mit dem Titel: Merkel-CDU profitiert

Umfrageergebnisse (Sonntagsfrage) für die Unionsparteien und Sozialdemokraten in 2020, in Prozent

► In der Coronakrise konnte sich Merkel politisch revitalisieren. Die Werte der Union in der Sonntagsfrage sind zuletzt stark angestiegen.

Fazit: Die Versuchung einer 5. Amtszeit ist real. Merkel sollte ihr widerstehen. Demokratie ist nur ein anderes Wort für Machtwechsel.

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Wer ins Ausland schaut, stellt schnell fest, dass Merkels Wiederaufstieg die Ausnahme von der Regel ist. US-Präsident Donald Trump polarisiert, seine Zustimmungswerte sinken:

Eine Infografik mit dem Titel: Trump büßt ein

Stimmungsbarometer (Job Approval) für Donald Trump, in Prozent

Trump schafft es aktuell nicht, seinen Landsleuten Zuversicht und Optimismus zu vermitteln. Überraschenderweise übernimmt das Vorvorgänger George W. Bush. Seine Stiftung veröffentlichte am Wochenende ein bewegendes Video:

This is a challenging and solemn time in the life of our nation and world. Medical professionals are risking their own health for the health of others, and we're deeply grateful. Officials at every level are setting out the requirements of public health that protect us all. And we all need to do our part.

 © The Bush Center

Der kleine Film zeigt in emotionalen Bildern die Helden der Krise, beispielsweise abgekämpfte Krankenschwestern. Er zeigt das klassische Amerika: zwei Cowboys vor Sonnenuntergang und die Apollo-11-Mondrakete. Und er erinnert an den Zusammenhalt nach 9/11:

Following 9/11 I saw a great nation rise as one to honor the brave to grieve with the grieving and to embrace unavoidable new duties. And I have no doubt, none at all, that this spirit of service and sacrifice is alive and well in America.

 © The Bush Center

Das Video badet den Zuschauer in nostalgischen Gefühlen und lässt ihn die Fehlleistungen von Bush – als da wären der Irakkrieg und die Fehleinschätzung der Lehman-Pleite – vergessen. Der Volksmund weiß warum: Die Erinnerung malt mit goldenem Pinsel.

 © dpa

Während die Welt weiter auf die Entwicklung eines Corona-Impfstoffes wartet, liefern Wissenschaftler aus dem beschaulichen Penzberg bei München am heutigen Morgen ein wichtiges Signal, das Hoffnung auf eine Rückkehr zur Normalität weckt. Mit der eben erworbenen Notfallzulassung durch die Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelbehörde der USA, der FDA, geht der Schweizer Pharmakonzern Roche (Konzernzentrale siehe Foto oben) nun in die Produktion und Vermarktung eines in Penzberg entwickelten Antikörpertests.

Mit ihm soll festgestellt werden, ob ein Patient bereits mit Covid-19 infiziert war und – höchstwahrscheinlich immunisierende – Antikörper gebildet hat. Eine solch hohe Verlässlichkeit gab es vorher nicht: Die Trefferquote des neuen Antikörpertests liegt bei 99,8 Prozent.

Über diesen Erfolg im Kampf gegen die Pandemie, die spezifischen Eigenschaften des Tests und darüber, wie er beim Weg zurück in die Normalität helfen kann, spreche ich im Morning Briefing Podcast mit Dr. Christoph Franz. Der Wirtschaftsingenieur und ehemalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Lufthansa ist heute Verwaltungsratspräsident des Pharmakonzerns Roche. Über den Antikörpertest sagt er:

Er ist wesentlich sensitiver und spezifischer als die Tests, die heute verfügbar sind. Wir setzen hier einen neuen Standard.

Der Test helfe nicht nur dabei, sich generell ein Bild über die Durchseuchung einer Bevölkerung zu machen, so Franz. Er helfe vor allem dem Einzelnen, seine medizinische Situation richtig einzuschätzen:

Du hast die Krankheit gehabt und bist aufgrund der Antikörper wahrscheinlich, sehr wahrscheinlich, immun. Du kannst dich wieder der Arbeit zuwenden, kannst in sensiblen Bereichen – im Gesundheitssystem, in Altenheimen – tätig sein.

Christoph Franz plädiert für weitere Lockerungen in Deutschland:

Ich glaube, wir müssen jetzt Mut haben, diese Öffnung mit einer gewissen Geschwindigkeit voranzutreiben.

Mit Sorge betrachtet er die unverschuldet in Not geratene Deutsche Lufthansa, die er von 2011 bis 2014 als Vorstandsvorsitzender führte. Den Politikern – die jetzt über eine aktive Staatsbeteiligung nachdenken – rät er zur Mäßigung:

Es geht nicht um Subventionen im Sinne von Zuschüssen. Sondern es geht vor allem um Liquidität, um durch das Tal der Tränen zu kommen. Es geht nicht darum, dass der Staat als neuer politischer Eigentümer die ‘Alitaliasierung’ der Lufthansa befördert. Wir haben in Europa mit Staatsairlines genügend schlechte Vorbilder.

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Erstens. Es kündigt sich eine neue Eiszeit zwischen Washington und Peking an. Für US-Außenminister Mike Pompeo steht mehr denn je fest: China ist für die Corona-Pandemie verantwortlich. „China hat eine Geschichte, die Welt zu infizieren“, sagte Pompeo im US-Fernsehsender ABC. „Ich kann Ihnen sagen, dass es eine erhebliche Menge Beweismaterial gibt, dass Corona von diesem Labor in Wuhan kam.“

Zweitens. Im US-Präsidentschaftswahlkampf ist nicht mehr die Coronakrise das bestimmende Thema, sondern sexuelle Belästigung. Eine ehemalige Mitarbeiterin von Trump-Herausforder Joe Biden beschuldigt den Demokraten, in den 1990er-Jahren übergriffig gewesen zu sein. „Ich sage unmissverständlich, es ist niemals, niemals passiert“, stellte Biden jetzt fest. Zuvor hatte er tagelang geschwiegen und damit die alte Politikregel missachtet: Man kann nicht nicht kommunizieren.

Drittens. Hunderttausende Kinder und Jugendliche gehen heute wieder zur Schule, nachdem wegen der Corona-Pandemie über Wochen Fernunterricht angesagt war. In einigen Ländern kommen nach den Abschlussklassen auch jene zurück, für die im nächsten Schuljahr Abschlussprüfungen anstehen. Die Corona-Ferien nähern sich dem Ende, aber nur um schon in Kürze in die großen Sommerferien überzugehen.

Viertens. Zum 104. Mal werden heute in New York die Gewinner des renommierten Pulitzer-Preises bekannt gegeben. Aufgrund der Coronakrise war die eigentlich für den 20. April geplante Verkündung um zwei Wochen verschoben worden.

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Fünftens. Eine Entscheidung über milliardenschwere Staatshilfen für die Lufthansa – und deren Bedingungen – rückt näher. Der Dax-Konzern verhandelt wegen der weitreichenden Folgen der Pandemie mit der Regierung. „In diesen Tagen wird über die Zukunft der Lufthansa entschieden“, wird Konzernchef Carsten Spohr laut vorab veröffentlichtem Redetext bei der Hauptversammlung am Dienstag sagen.

Sechstens. Seit Jahren steckt die Europäische Zentralbank viele Milliarden in den Kauf von Staatsanleihen. Dass das Bundesverfassungsgericht diese Praxis kritisch sieht, ist kein Geheimnis. Am Dienstag – ab 10 Uhr – kommt das Urteil. Kläger Peter Gauweiler hofft auf eine Stärkung der Rolle des Bundestags, denn laut dem Budgetrecht der Parlamentarier dürfen nur sie Risiken im Auftrag der Steuerzahler eingehen, nicht die Frankfurter Notenbank. Siebtens. Mit Spielen ohne Zuschauer sollte die Sehnsucht nach Bundesligafußball gestillt werden. Doch nun das: Beim 1. FC Köln gibt es drei positiv auf das Coronavirus getestete Personen, zwei Spieler und ein Betreuer. Das Virus ist erkennbar stark. Aber unsere Sehnsucht nach Normalität ist stärker. Der Ball sollte weiter rollen - nicht nur im Stadion.

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Ich wünsche Ihnen einen hoffnungsvollen Start in die neue Woche. Herzlichst grüßt Sie Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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