Handelspolitik

Der wahre Grund für Trumps Zölle

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 © imago

Nach Trumps Zoll-Ankündigungen in der vergangenen Woche schwenken die Schlagzeilen zwischen Empörung und Belustigung. Ein bewusstes Manöver einer ausgefeilten Aufmerksamkeitsökonomie, meint Eric Demuth, Mitbegründer und CEO von Bitpanda. Eigentlich gehe es darum, US-Staatsanleihen zu refinanzieren.

Donald Trump übersät die Welt mit neuen Zöllen, die selbst entlegenste Inseln betreffen – darunter eine, auf der ausschließlich Pinguine leben – und sorgt damit für Spott und Schlagzeilen. Medien weltweit greifen das dankbar auf. Die absurde Nachricht dominiert den Diskurs.

Doch wer sich mit der Tiefe der politischen Strategie befasst, erkennt ein Muster. Denn was aussieht wie Irrsinn, folgt einer kommunikativen Logik – und einer potenziell hochriskanten wirtschaftlichen Strategie.

„Flood the zone with shit“: Das Prinzip Ablenkung

Steve Bannon, Trumps früherer Chefstratege, brachte es einst auf den Punkt: „Flood the zone with shit.“ Das Prinzip: Überflute den medialen Raum mit Skandalen, Absurditäten, Ablenkungen – damit die Öffentlichkeit die eigentlichen Vorgänge im Maschinenraum der Macht nicht mehr verfolgen kann. Menschen können nur ein bis zwei Headlines gleichzeitig verarbeiten. Wer die Aufmerksamkeit kontrolliert, kontrolliert die Debatte.

Das Zitat wirkt heute aktueller denn je. Denn während die Welt sich über Pinguininseln lustig macht, geschieht im Hintergrund etwas weit Bedeutenderes.

Handelskrieg? Nein – ein Renditekrieg

Bis Ende 2026 muss die US-Regierung Staatsanleihen im Volumen von rund neun Billionen US-Dollar refinanzieren. Ein Großteil dieser Schulden wurde in Zeiten extrem niedriger Zinsen aufgenommen. Heute liegt die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihe bei etwa 4,20 Prozent. Ein Anstieg um nur einen Basispunkt (0,01 Prozentpunkte) bedeutet für die USA etwa neun Milliarden Dollar mehr an Zinskosten über die Laufzeit.

Allein das verdeutlicht: Die Zinslast ist nicht nur ein Thema für Schwellenländer. Auch eine Supermacht wie die USA hat ein massives Anreizsystem, die eigenen Refinanzierungskosten zu senken – mit allen Mitteln.

Trumps Zoll-Rundumschlag trifft auch Pinguine, die auf den McDonald-Inseln im südlichen indischen Ozean leben. © dpa

Strategie: Wachstum bremsen, Erwartungen senken, Renditen drücken

In einem Hochzinsumfeld sind klassische geldpolitische Stimuli begrenzt. Wenn die Notenbank nicht mehr viel lockern kann oder will, bleibt nur ein anderer Weg: Die wirtschaftlichen Erwartungen gezielt abkühlen.

Zölle, protektionistische Rhetorik und wirtschaftliche Unsicherheit sind dabei keine Pannen, sondern Werkzeuge. „Economic Nationalism“ und Maßnahmen, die irrational wirken, aber gezielt auf eine Dämpfung der langfristigen Wachstumserwartungen zielen.

Das Ziel: Wachstumserwartungen senken, wirtschaftliche Dynamik dämpfen und so die langfristigen Zinssätze nach unten ziehen.

Der Plan ist einfach, aber brutal:

  1. Die Renditen jetzt drücken.

  2. Billionen an Staatsanleihen zu günstigeren Konditionen refinanzieren.

  3. Danach Stimulus-Modus aktivieren, die Wirtschaft wiederbeleben und die monetären Schleusen öffnen.

Eine schwache Wirtschaft bedeutet sinkende Renditen. Und genau die braucht die US-Regierung, um sich günstig zu refinanzieren.

Unterschätzt diese Regierung nicht

Viele Stimmen behaupten: Trump versteht das alles ohnehin nicht. Doch das wäre ein fataler Irrtum. Trump mag sich öffentlich wie ein Entertainer inszenieren, aber er versteht die Mechanismen der Aufmerksamkeit wie kaum ein anderer. Und noch wichtiger: Er ist nicht allein. In seinem Umfeld sitzen erfahrene Wall-Street-Strategen, die genau wissen, wie man Zinsstrukturen, Erwartungen und Narrative beeinflusst.

Es ist naiv zu glauben, dass Zölle auf Pinguininseln ein Irrtum sind. Sie sind bewusst gesetzte Nebelkerzen. Damit wir nicht über das reden, was wirklich zählt.

Aus Defizit wird Zoll: Donald Trumps Liste © dpa

Funktioniert diese Strategie?

Ob diese Strategie die richtige ist? Ich habe starke Zweifel. Denn sie ist sehr riskant. Ja, sie kann funktionieren, wenn die Erwartungen sinken, die Zinsen nachgeben und die USA sich günstig refinanzieren können.

Aber sie kann auch massiv scheitern. Denn viele Faktoren liegen außerhalb amerikanischer Kontrolle: Wie reagiert Europa? Was macht China? Wie entwickeln sich die geopolitischen Spannungen? Was passiert bei einer globalen Nachfragekrise?

Wenn die Strategie funktioniert, könnten die USA ihre Schuldenlast stabilisieren, eine industrielle Renaissance erleben und ihre globale Verhandlungsmacht deutlich ausbauen.

Scheitert der Plan hingegen, drohen eine spürbare Inflation - möglicherweise sogar Stagflation, der Verlust der Zwischenwahlen und eine Phase strategischer Orientierungslosigkeit der USA.

Wer kooperiert, zahlt weniger – wer nicht, zahlt drauf

Eine Senkung der zehnjährigen Treasury-Rendite um nur 0,1 Prozentpunkte würde dem US-Haushalt fast 100 Milliarden US-Dollar an Zinskosten über zehn Jahre ersparen.

Wenn durch Zölle schnell genug neue Arbeitsplätze in strategischen Bundesstaaten entstehen und gleichzeitig die Inflation unter Kontrolle bleibt, könnte diese Strategie als mutig, aber wirksam erscheinen.

Wenn jedoch die Preise explodieren und neue Jobs ausbleiben, könnte der Plan bis zu den Zwischenwahlen im November 2026 massiv nach hinten losgehen.

In den kommenden Monaten ist daher mit einer Vielzahl bilateraler Deals zu rechnen: Zölle werden für jene Länder gesenkt, die den USA strategisch entgegenkommen – sei es im Handel, in der Sicherheitspolitik oder der Industriekooperation. Wer sich verweigert, muss mit höheren Kosten leben – bis man an den Verhandlungstisch zurückkehrt. Die Ersten werden „belohnt“, die Letzten zahlen doppelt.

Was bedeutet das für Europa?

Europa muss sich ernsthaft fragen, was diese Strategie für die eigene Rolle in der Welt bedeutet. Die Trump-Regierung betrachtet Europa nicht mehr nur als wirtschaftlichen Wettbewerber, sondern zunehmend auch als ideologischen Gegner. Das wurde mehrfach klar ausgesprochen.

Die alte transatlantische Denkweise funktioniert unter diesen Voraussetzungen nicht mehr. Europa muss deshalb dringend neue Allianzen schmieden, eigene Handelsabkommen forcieren und seine wirtschaftspolitische Positionierung unabhängiger und robuster gestalten. Schnelligkeit ist dabei entscheidend.

Zudem passt ins Bild, dass Trump bereits am Freitag über Social Media den Fed-Chef Jerome Powell öffentlich dazu aufgefordert hat, endlich die Zinsen zu senken. Seiner Meinung nach sei das schon lange überfällig und genau nach den Zöllen der richtige Zeitpunkt.

US-Präsident Donald Trump und Notenbank-Chef Jerome Powell © Reuters

Fazit

Was Trump mit seinen Zöllen verfolgt, ist kein wirtschaftlicher Affekt, sondern Teil eines möglicherweise kalkulierten Manövers. Es geht nicht um Handelsbilanzen. Es geht um Zinsen. Es ist kein Handelskrieg, sondern ein Renditekrieg.

Gleichzeitig halte ich diese Strategie für hochgefährlich. Sie spielt mit globaler Instabilität, wirtschaftlicher Verunsicherung und geopolitischen Risiken. Kann sie aufgehen? Ja. Aber das Risiko, dass sie komplett nach hinten losgeht, ist immens.

Sollte dieser Plan aufgehen, wird Trump sich selbst feiern wie nie zuvor – und seinem „Make America Great Again“ ein Ausrufezeichen verleihen. Er wird sich als alternativloser Architekt der amerikanischen Zukunft inszenieren – und damit zweifellos auch das Narrativ einer dritten Amtszeit befeuern.

Sollte der Plan jedoch scheitern, bin ich mir schon jetzt sicher, wem er die Schuld zuschieben wird: Jerome Powell, dem Chef der US-Notenbank.

Der inneramerikanische Machtkampf zwischen Powell und Trump – zwischen White House und Fed – dürfte der vielleicht entscheidendste Konflikt der nächsten Jahre sein.

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Veröffentlicht von Dr. Nils HeisterhagenJonathan PackroffLea-Katharina Krause.

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