Bürokratie

Wohnungsbau: Das tut sich doch keiner mehr an

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 © IMAGO / Schöning

Kaum wo geht die Schere zwischen Wollen und Machen in deutscher Politik wie Gesellschaft weiter auseinander als beim Wohnungsbau. Die Analyse ist so einfach wie klar: Aus vielerlei Gründen brauchen wir insbesondere in den großen Städten mehr Wohnraum. Doch wie stellen wir das an, in einem Land, das Bauen zunehmend erschwert?

Massenwohnungsbau auf der „grünen Wiese“ ist sicherlich nicht mehr verantwortbar: Landschaften müssen geschützt und soweit es geht renaturiert werden. Den Städten jedoch steht eine Nachverdichtung bevor, die eine effizientere Nutzung der bestehenden Infrastruktur ermöglicht und Wege verkürzt. Was mittelalterliche Städte zum Schutz vor Kriegen und Raubzügen unternommen haben, müssen nun wir tun, um den Umweltkollaps zu verhindern: Städte komprimieren, so modern, attraktiv und langlebig wie möglich.

Das Tempelhofer Feld in Berlin © Imago

Die Politik erkennt das Problem: Zuverlässig finden sich in jedem mutigen Koalitionsvertrag auf Landes- und Bundesebene Zielgrößen, der zu bauenden Wohneinheiten. Ebenso zuverlässig werden sie nicht erreicht.

Auch unter der neuen Bundesregierung werden wir dieses Phänomen wohl wieder erfahren. Kaum steht in den Vorhaben, wie die gesetzlichen, steuerlichen und technischen Rahmenbedingungen realitätsnah umgesetzt werden. Die Blockade im deutschen Wohnungsbau lässt sich allerdings nicht durch bloßes Nachschütten lösen – sie muss mit einem entschiedenen Impuls durchbrochen werden.

An pragmatischen Vorschlägen mangelt es nicht: Die Mehrwertsteuer auf Bauleistungen muss weg, die Grunderwerbssteuer muss gesenkt werden und großzügige Steuererleichterungen für Wohnungsbauinvestitionen gehören eingeführt. Dagegen dürften auch die Finanzminister nichts haben – denn wenn nicht gebaut wird, kommt es ohnehin nicht zu Steuereinnahmen.

Es lässt sich festhalten: Baukosten müssen runter, indem Anforderungen, von denen außer der Baustoffindustrie niemand etwas hat, radikal auf ein vernünftiges Maß eingedampft werden. Der am 10. Februar vorgestellte „Hamburger Standard“, der mit einem Paket an Vereinfachungen bis zu 2.000 Euro pro Quadratmeter an Herstellungskosten einsparen soll, kann einen Weg in die richtige Richtung aufzeigen.

Außerdem gehört die in den meisten Ländern noch geltende und enorm kostenträchtige Stellplatzpflicht für PKW abgeschafft. In Berlin, Hamburg und Niedersachsen zeigt sich seit Jahren: Das geht.

Nicht zuletzt muss der Ineffizienz vieler staatlicher Stellen, die noch nicht merken oder denen egal ist, dass eine Zeitenwende ansteht, entgegen gegangen werden – mit pfiffigen Sanktions- und Bonussystemen in ein Leistungs- und Dienstleistungsdenken. Gefragt sind Kreativität und politischer Mut zu Verwaltungsreformen, damit kafkaeske Sitzungen wie jüngst in einem Berliner Bezirksamt – 16 Behördenmitarbeiter für zwei im vergangenen Sommer gesichtete Eidechsen auf einem Baugrundstück – der Vergangenheit angehören.

Heute ist zum existentiellen Problem geworden, worüber Bauherren in besseren Jahren witzeln konnten. Bauen ist ein stressiges Abenteuer mit vielen Risiken und Ungewissheiten. Es ist zudem eine Kulturleistung mit ungeheurem Einfluss auf die Gesellschaft, denn nach Winston Churchill gilt: Erst formen wir die Bauten, dann formen sie uns.

Bauherren laden sich heutzutage große Verantwortung auf: Sie müssen motiviert sein, das Wagnis einzugehen, wirtschaftlich und kulturell erfolgreich zu sein.

In einem Land, in dem über Jahrzehnte rund 87 Prozent des Wohnungsbaus von privaten Bauherren und Investoren getragen wurden, scheint der Antrieb erloschen – der private Wohnungsbau ist nahezu zum Stillstand gekommen.

Bauministerin Klara Geywitz besucht in Rheinland-Pfalz ein Wohnungsbauprojekt. © BMWSB/Schacht

Es sind nicht nur die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Es ist der einfache Umstand, dass sich Bauen nicht rechnet. Es ist auch die polarisierende Haltung vieler Verbraucher gegenüber Bauherren und Vermietern. Diese ist so problematisch, wie Randparteien, die mit Radikalisierung ihr Süppchen kochen.

Darüber hinaus: Die von außen undurchschaubare Komplexität von Projektentwicklung und Bau hat zu Misstrauen gegenüber denjenigen Unternehmern geführt, die es durch den Bürokratiedschungel schaffen. Jüngste Bauskandale, inszeniert von einigen schillernden Selbstdarstellern, schaden außerdem dem Ansehen einer gesamten Branche, die in Deutschland bei Weitem besser ist, als ihr Ruf vermuten lässt.

Zur Wirtschaftlichkeit verdammt aber sind diejenigen, die Wohnungen bauen und vermieten, die nicht etwa gemeinnützig sind – also fast alle Wohnungsbauunternehmer. Jahrelange gut gemeinte Mieterschutzregelungen haben Vermieter in die Zange genommen: Selbst hartnäckige Mietpreller sind kaum aus der Wohnung zu bekommen, und der Rechtsweg ist angesichts der überlasteten Justiz wenig aussichtsreich – zumal die Kluft zwischen recht haben und Recht bekommen stetig wächst.

Weitaus bequemer und oft auch einträglicher als Wohnungen zu vermieten ist es so, sein Geld in das internationale Finanzmanagement zu entsenden und die Wohnungssuchenden ihrer Not zu überlassen.

Dabei gilt: Natürlich gibt es auch unter Vermietern schwarze Schafe, die nicht verstanden haben, dass die beste Rendite nur langfristig zufriedene Mieter erzeugen und aus der Not der Suchenden ein Geschäft machen. Die meisten Vermieter – insbesondere die vielen privaten Eigentümer und potenziellen Bauherren, die ihre Mieterinnen und Mieter noch persönlich kennen – handeln im Geist der sozialen Marktwirtschaft, die unser Land geprägt hat. Ihre oft moderaten Mietanpassungen spiegeln in erster Linie die steigenden Kosten wider.

Solche Vermieter tragen keine Verantwortung für die Inflation, für den leer gefegten Mietwohnungsmarkt, die schlechten Marktbedingungen noch dafür, dass sie in den kommenden Jahren die milliardenteuren energetischen Sanierungen der Bestände organisieren müssen.

Fazit: Wer es sich trotz der nur schwer zumutbaren Umstände des deutschen Bauwesens noch antut, Wohnungen für andere zu bauen, verdient ebenso viel Respekt von Politik, Verwaltung, Mietern und Käufern wie die Maurer, Tischler und Monteure, die er mit Arbeit versorgt. Ist das mühsame Bauen nicht nur wirtschaftlich tragbar, sondern angemessen gut beleumundet, entfachen wir ein enormes Potenzial.