ich begrüße Sie zu unserem Gesellschaftspodcast Der 8. Tag – schön, dass Sie dabei sind.
Lassen Sie uns heute über das Geschichtenerzählen nachdenken.
Es ist unmöglich zu datieren, wann, wer, wem zum ersten Mal eine Geschichte erzählt hat.
Das Erzählen von Geschichten ist die vermutlich älteste Kulturtechnik.
Bevor Menschen geschrieben haben, bevor Menschen gelesen haben, haben sie erzählt.
Am Anfang vermutlich nur mündlich, danach schriftlich, durch Höhlenmalerei, durch Mythen und Märchen, Legenden und Romane, Poesie und Malerei, Kampagnen und Propaganda, Theater und Tweets, Instagramstorys und TikTok-Videos.
Und dafür braucht es nicht viel.
Es gibt da eine Legende über einen der größten Geschichtenerzähler aller Zeiten:
Sie besagt, dass Ernest Hemingway mit ein paar anderen Autoren wettete, er könne mit sechs Worten eine ganze Geschichte schreiben.
Er kassierte von jedem zehn Dollar und schrieb auf eine Serviette:
For sale: baby shoes, never worn.
Zu verkaufen: Babyschuhe, ungetragen.
Niemand weiß, ob diese Anekdote stimmt oder nicht – das ist auch völlig egal, denn die Geschichte wirkt.
Und das ist die Kraft und die Gefahr guter Geschichten.
Geschichten sind der Stoff, mit dem wir in diese Welt eingewebt sind.
Es gibt die Zahlen, die Fakten, Argumente, doch ohne eine Geschichte erreichen sie mich nicht.
Erzählungen sind wie kleine Schleusen zwischen uns und unserer Umwelt, erst sie ermöglichen die Diffusion des Faktums in mein Bewusstsein.
Doch sind wir uns dieser Macht eigentlich bewusst?
Denn welche Geschichten wir einander erzählen, bestimmt maßgeblich mit, wie wir auf Politik, Medien, Kultur – wie wir auf uns selbst blicken, welches Menschen- und welches Weltbild wir haben.
Ich habe uns heute einen Gast eingeladen, der sich tief in dieses Thema eingearbeitet hat.
© Alev DoğanGemeinsam mit Samira El-Ouassil hat Friedemann Karig das Buch Erzählende Affen geschrieben.
In diesem Buch las ich auch erstmals von der Anekdote um Hemingway.
Friedemann Karig erzählt im Achten Tag von den Geschichten, die unser Leben prägen, Erzählungen, die uns manipulieren und Narrative, die wir brauchen, um an die Zukunft zu glauben:
Die Advents- und Weihnachtszeit ist nicht die einfachste.
Lametta, Adventskalender, Lebkuchen und Glühwein; Erwartungen, Enttäuschungen, Konflikte und Familiendramen.
Die Familie sitzt zusammen, toxische Dynamiken nehmen Anlauf als sei seit der Pubertät kein Tag vergangen, der Onkel nervt mit sexistischen Sprüchen, die Tante äußert sich dezent rassistisch, Putin und Schröder, Energiekosten und FFP2-Masken, Baerbock und Scholz – alle sitzen mit am Weihnachtstisch.
Es gibt eine Lösung, liebe Hörerinnen und Hörer, und sie heißt: Gelassenheit.
Hören Sie im Achten Tag was das mit Michel de Montaigne, Karl Valentin und Regen zu tun hat.
In einer Woche ist Heiligabend.
Und natürlich gibt es kein Entkommen mehr vor den immer gleichen weihnachtlichen Klängen, Musik und Filmen – egal ob im Kaufhaus, zu Hause vor dem Fernseher oder im Taxi.
Zynismus gehört zum Volkssport und der herablassend-genervte Blick auf Wham, Mariah Carey und Drei Haselnüsse für Aschenbrödel ohnehin.
Machen Sie nicht mit, seien Sie kein Grinch.
Denn dieser Weihanchtskitsch trägt unsere Gesellschaft und hält sie zusammen. So wird aus Kitsch – Kitt!
... der Kernfusion.
Das war ziemlich spektakulär, was die US-Energieministerin Jennifer Granholm in dieser Woche verkündet hat.
Im Kern (entschuldigen Sie) geht es darum, dass es amerikanischen Forschern gelungen ist, beim Verschmelzen von Atomkernen mehr Energie zu gewinnen als zu verbrauchen.
Klingt simpel, ist aber revolutionär.
Hören Sie die Einzelheiten im Achten Tag.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und freue mich, wenn wir uns im nächsten Achten Tag wieder begegnen.
Bis dahin – auf sehr, sehr bald.
Herzlichst
Ihre