USA/China: Der neue Kalte Krieg

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Guten Morgen,

die gute Nachricht für den amerikanischen Präsidenten lautet: Die unter Donald Trump begonnene und von Joe Biden fortgesetzte Ausgrenzung des chinesischen Technologieanbieters Huawei hat gewirkt:

  • Das Unternehmen mit rund 196.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 136,7 Milliarden US-Dollar im Jahr 2020 bekommt im Westen kein Bein mehr auf den Boden. In relevanten westlichen Ländern ist es bereits beschlossene Sache, dass der Aufbau des 5G-Netzes ohne die Chinesen stattfindet.

Eine Infografik mit dem Titel: Huawei beschäftigt die Welt

Haltung der Länder, die am Aufbau eines 5G-Netzes arbeiten, gegenüber Huawei

Doch die schlechte Nachricht für den amerikanischen Präsidenten folgt auf dem Fuße: Im selben Zeitraum feiert eine bis dahin unbekannte Smartphone-Firma aus Peking ihren globalen Aufstieg. Das Unternehmen heißt Xiaomi und ist am Technologiehimmel ein neuer Fixstern:

  • Erstmals hat das Unternehmen jetzt den amerikanischen iPhone-Hersteller Apple beim Smartphone-Verkauf überholt. Laut dem Marktforschungsinstitut Canalys ist Xiaomi im zweiten Quartal der weltweit zweitgrößte Anbieter – hinter Samsung und vor Apple.

Eine Infografik mit dem Titel: China-Tech vs. Nasdaq

Kursverlauf des Nasdaq OMX China Technology Index und des Nasdaq 100 Index seit dem 11. September 2012, indexiert in Prozent

  • Das Unternehmen steigerte seine Verkäufe binnen eines Jahres um märchenhafte 83 Prozent. Der weltweite Marktanteil kletterte auf 17 Prozent, Apple liegt bei 14 Prozent, Samsung bei 19 Prozent.

  • Xiaomi greift beim Preis an und zwingt damit Apple, entweder auf Marktanteile oder auf Marge zu verzichten. Verglichen mit Samsung und Apple liegt der durchschnittliche Preis rund 40 beziehungsweise 75 Prozent unter den Angeboten der Wettbewerber.

  • Die Investoren haben den chinesischen Angriff bemerkt – und goutiert. Während der Apple-Aktienkurs in der vergangenen Woche um 2,2 Prozent verlor, schoss die Börsenbewertung von Xiaomi um 2,9 Prozent nach oben.

Eine Infografik mit dem Titel: Apple vs. Xiaomi

Kursverlauf der Aktien von Xiaomi und Apple seit dem 18. April 2021, indexiert in Prozent

  • Damit verfügt China nach TikTok erneut über eine Firma, die direkten Kundenzugang zu den amerikanischen Wählerinnen und Wählern gesucht und gefunden hat.

Doch Amerika wäre nicht Amerika, wenn es das Gefecht über die technologische Dominanz im 21. Jahrhundert damit beenden würde. Biden tut das, was kluge Feldherren meistens tun: Er schmiedet Allianzen. Gestern haben die USA, die Europäische Union und weitere Verbündete China für eine Reihe von Cyberangriffen verantwortlich gemacht und dem chinesischen Staat vorgeworfen, „Auftragshacker“ einzusetzen, um den Westen zu destabilisieren. Der chinesische Staat sei unter anderem für die Angriffe auf Server mit Microsoft Exchange verantwortlich, die im März zehntausende Firmen und Behörden weltweit betroffen hatten.

Joe Biden © imago

Gegen vier mutmaßliche Hacker, die mit dem chinesischen Ministerium für Staatssicherheit in Verbindung stehen sollen, will das US-Justizministerium nun Anklage erheben. Außenminister Antony Blinken kündigte „Konsequenzen“ an. Gemeinsam mit den Verbündeten mache man die Volksrepublik verantwortlich „für ihr verantwortungsloses, störendes und destabilisierendes Verhalten im Cyberspace.“

Antony Blinken, US-Außenminister © dpa

Fazit: In der deutschen Industrie, vom Großkonzern bis zum Mittelstand, kommt angesichts der amerikanischen Aktivitäten des fortgesetzten Decoupling, was so viel wie Entkopplung bedeutet, keine Freude auf. Westliche Werte stehen plötzlich diametral gegen kaufmännische Interessen. Brot vs. Moral? Oder um es mit Erich Kästner zu sagen:

Entweder man lebt, oder man ist konsequent.

Sigmar Gabriel © Anne Hufnagl

Genau darin liegt das Dilemma jeder Außenpolitik: Sie muss dem ökonomischen Wohlergehen der eigenen Nation dienen, ohne die westlichen Werte zu verraten. In der neuesten Ausgabe des „World Briefing“ widmet sich Sigmar Gabriel diesem oft unauflösbaren Interessenkonflikt. Im Gespräch mit Chelsea Spieker entfaltet er seine Argumentation:

Einerseits:

Wir sind zurück in einer Welt harter Interessen. Die Widersprüche in der Welt wachsen zwischen Werten und Interessen.

Andererseits:

Wir müssen auch mit Ländern zusammenarbeiten, die wir gesellschaftlich überhaupt nicht mögen. Klimaschutz geht nicht ohne China.

Eine Infografik mit dem Titel: China: Der wichtigste Handelspartner

Handelsbilanz der EU, USA und Deutschland gegenüber China 2020, in Milliarden Euro

Das Spannungsverhältnis zwischen Wirtschaft und Politik sei vorgezeichnet:

Was soll ein Konzernchef machen, wenn der eigene wirtschaftliche Erfolg von der Frage abhängt, dass er möglichst mit allen Teilen der Welt einigermaßen vernünftige wirtschaftliche Beziehungen pflegt?

Einerseits, sagt er, dürfe die Wirtschaft nicht mit politischen Ansprüchen überfrachtet werden:

Man darf die Wirtschaft nicht zur Ersatzpolitik machen.

Andererseits:

Der Anspruch ist berechtigt, dass die Wirtschaft sich an bestimmte Beschlüsse wie Sanktionen halten muss.

Deutschland müsse lernen ein „Grand Design“ für seine außenpolitische Ambition zu entwickeln – und umzusetzen. Aber was wäre das große Ziel? Gabriel sagt:

Ein strategisches Ziel muss es sein, Europa souverän zu machen. Dass wir in der Lage sind, eigene Entscheidungen zu treffen, uns nicht in totaler Abhängigkeit von anderen zu befinden – technologisch nicht, politisch nicht, aber auch nicht militärisch.

Zur Umsetzung dieses Zieles müsse der Euro zur internationalen Reservewährung ausgebaut werden, was wiederum den Deutschen einiges abverlangt:

Wenn wir ökonomisch souverän werden wollen, dann muss der Euro zu einer internationalen Reservewährung werden. Das wird er aber nur, wenn die Anleger in der Welt sicher sind, dass ihr Geld im Euro sicher aufgehoben ist. Das wiederum passiert nur, wenn der Euro von allen Mitgliedsstaaten gemeinschaftlich verbürgt wird. Dagegen wehrt sich Deutschland, da wir Angst haben, für die Schulden anderer zu bürgen.

Eine Infografik mit dem Titel: Die Währungsreserven der Welt

Zusammensetzung der weltweiten Devisenreserven im 1. Quartal 2021 nach Währungen, in Prozent

Laut Gabriel gebe es aber nicht die Wahl zwischen keinem und einem Risiko, sondern es bliebe auch in dieser neuralgischen Frage der Fortentwicklung des Euro das Abwägen von Risiken. Gabriel plädiert für eine Grundsatzentscheidung – pro europäische Souveränität – der sich alle anderen politischen Erwägungen und Ängste, auch die vor der Schuldenunion, unterzuordnen hätten:

In dieser Risikoabwägung ist es besser, sich Instrumente zu überlegen, wie man überbordende Verschuldung in Europa verhindern kann.

Das gesamte 35-minütige Gespräch über die Zukunft der Außenpolitik hören Sie exklusiv auf ThePioneer.de Prädikat: verstörend und erhellend zugleich.

“Sympathy for the devil”

Sigmar Gabriel über die Bedeutung der Außenpolitik

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Veröffentlicht in World Briefing von Sigmar Gabriel .

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  • Angesichts des extremen Wetters in Europa ist eine Debatte um die Wirksamkeit des Katastrophenschutzes (siehe Morning Briefing von gestern) losgebrochen. Der Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach sagt, dass es um den deutschen Katastrophenschutz genauso schlecht stünde, wie um den Pandemieschutz.

  • Die FDP macht derweil Bundesinnenminister Horst Seehofer verantwortlich für ein Systemversagen“. Fraktionsvize Michael Theurer sagte der dpa, weder die Behörden, noch der öffentlich-rechtliche Rundfunk hätten rechtzeitig über die drohende Gefahr berichtet:

Es bietet sich das Bild eines erheblichen Systemversagens, für das Bundesinnenminister Seehofer unmittelbar die persönliche Verantwortung trägt.

Horst Seehofer © imago
  • Auch am Montag waren noch rund 30.000 Menschen im Gebiet des Versorgers WestNetz ohne Strom. Mutterkonzern Eon teilte mit, dass Notfallaggregate und Mitarbeiter mobilisiert würden, um zu helfen.

  • Rückversicherer werden laut Analysten mit Kosten zwischen zwei und drei Milliarden US-Dollar (zwischen 1,69 und 2,54 Milliarden Euro) rechnen müssen. Experten der Privatbank Berenberg schätzten, dass die Allianz alleine 200 bis 300 Millionen Dollar (zwischen 169 und 254 Millionen Euro) an Rechnungen zu erwarten habe. Immerhin 45 Prozent der deutschen Häuser seien gegen Hochwasserschäden versichert.

  • Die Bezirksregierung Köln warnt vor Krankheitserregern im Wasser und Schlamm, die Infektionskrankheiten auslösen könnten und mahnt zu sorgfältigem Händewaschen.

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Marian Wendt © dpa

Forderungen nach einer Zentralisierung des Katastrophenschutzes wurden laut – und stießen unverzüglich auf Gegenwehr: Der Deutsche Landkreistag, NRW-Innenminister Herbert Reul und auch Grünen-Chefin Annalena Baerbock verteidigten den föderalen Status Quo.

Marian Wendt hält dagegen. Er ist seit 2018 Präsident der THW-Bundesvereinigung und vertritt im politischen Berlin die Interessen des Technischen Hilfswerks. Der CDU-Bundestagsabgeordnete aus Sachsen übt im Gespräch mit Stefan Rupp, dem Leiter unseres Pioneer-Podcast-Teams, Kritik am aktuellen Krisenmanagement:

Wir haben viele zivile Helfer, die mitmachen wollen. Wir haben gute Techniker, aber wir schaffen es nicht, diese Sachen adäquat, zügig, schnell und mit einer ordentlichen Führung vor Ort zu bringen. Weil wir halt immer noch eine Struktur haben, die eher auf dem Kirchturmdenken beruht. Und jeder Landkreis macht das, was er für richtig hält. Es gibt keine zentrale Steuerung und das ist ein Problem, das sich auch in diesem Fall wieder zeigt.

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Er fordert:

Wenn ich ein Schadensgebiet habe, das sich über mehrere Landkreise oder sogar Bundesländer erstreckt, muss der Bund mit einer Stabsmannschaft und einem zuständigen Koordinator dort entscheiden können.

Fazit: Wer dieses Interview hört und weiter auf der Zersplitterung der Kompetenzen pocht, ist entweder schwerhörig oder lebensmüde.

„Merkel hat Europa sehr gut getan"

Im Interview: Jean-Claude Juncker, ehemaliger EU-Kommissionschef und Premierminister Luxemburgs.

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Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Marina Kormbaki .

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Jamal Khashoggi © dpa

Ein internationales Journalistenkonsortium, bestehend aus rund 20 Redaktionen, hat aufgedeckt, dass die israelische Spionagesoftware „Pegasus“ für illegale staatliche Bespitzelung von Journalisten und Menschenrechtsaktivisten zum Einsatz gebracht wird.

Ein Datensatz von über 50.000 Telefonnummern wurde der französischen Organisation Forbidden Stories zugespielt – über 180 der Nummern stammen von Journalisten. In Kooperation mit Experten von Amnesty International wurden die Daten ausgewertet. Mit dem Ergebnis, dass 37 Smartphones von Journalisten, Menschenrechtlern und ihnen nahestehenden Personen von der als Cyberwaffe eingestuften Software angegriffen wurden.

Die Trojaner-Software „Pegasus“ der israelischen Firma NSO kann mühelos Smartphones infizieren und in Echtzeit auch verschlüsselte Chatplattformen überwachen. Das derzeit leistungsfähigste Spähprogramm darf offiziell von NSO nur zum Terrorismus-Schutz an Staaten verkauft werden.

Zu den Opfern der Spähaktionen gehören unter anderem die Chefredakteurin der „Financial Times“, eine CNN-Reporterin, sowie mehrere renommierte französische Reporter und ungarische Investigativjournalisten. In Deutschland soll es zu keinem Angriff gekommen sein. Auch das Handy der Verlobten des ermordeten „Washington Post“-Journalisten Jamal Khashoggi wurde laut Berichterstattung von „Pegasus“ angegriffen – vier Tage nach seinem Tod 2018.

NSO wies die Berichterstattung zurück: Die Firma sprach von „falschen Vorwürfen und irreführender Berichterstattung“.

#Wahlkampf: Können die Spitzenkandidaten auf Social Media überzeugen?

Social Media Experte Helge Ruff analysiert die digitalen Auftritte von Baerbock, Scholz und Laschet.

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Veröffentlicht in The Pioneer Expert von Helge Ruff.

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Sanna Marin © dpa

Finnland ist der „First Mover“ unter den Nationen. Heute vor genau 115 Jahren wurde in dem nordeuropäischen Land, das damals noch unter der Herrschaft des Russischen Reichs stand, das Wahlrecht für Frauen eingeführt. Damit waren die Finnen nach den Australiern und Neuseeländern die dritte Nation weltweit, und die ersten Europäer, die das Frauenwahlrecht einführten.

Erst 1918, zwölf Jahre später, folgte Deutschland. Bis sich der Vorreiter-Effekt in ganz Europa durchsetzte, sollte es dauern: In der Schweiz war es erst 1990 in allen Kantonen so weit.

Die Finnen konnten ihren Vorsprung halten. 2019 wählten sie Sanna Marin als Ministerpräsidentin der Republik Finnland. Alle fünf Koalitionspartner ihrer Regierung haben Frauen als Vorsitzende.

Die fünf Frauen der finnischen Koalition © dpa

Mit der Wahl stellten die Finnen einen neuen Rekord auf: Marin war zum Amtsantritt 34 Jahre alt und somit die jüngste Ministerpräsidentin der Welt. Angela Merkel war bei Amtsantritt 51, Maggie Thatcher 53. Und auch Kamala Harris hat keine Chance mehr, den finnischen Rekord zu überbieten. Sollte sie 2024 tatsächlich an der Stelle ihres heutigen Chefs Joe Biden als erste Präsidentin ins Weiße Haus einziehen, wäre sie 60 Jahre alt. Viele erhoffen sich von ihr die Durchsetzung jener progressiven Agenda, die Obama und Biden immer nur versprochen haben.

Kamala Harris © dpa

Oder, um es mit der britischen Premierministerin Thatcher zu sagen:

Wenn du willst, dass etwas gesagt wird, frage einen Mann. Wenn du willst, dass etwas getan wird, frage eine Frau.

Margaret Thatcher © imago

Ich wünsche Ihnen einen ausgeruhten Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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